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to the land of plenty

Lobster- und Swampland Nova Scotia

Bevor wir dorthin gelangen, müssen wir die Zollprozedur durchlaufen: Der Laster ist, für uns unerwartet, schon am 27. April abholbereit und bereits nach nur 15 Minuten und „No-damage-Anerkennung“ ´raus aus dem Zollgebiet, denn die Mittagspause naht, Motivation genug für die Zöllner, Dampf zu machen. Ein Schweizer hat da weniger Glück: Wassereinbruch vom Dachfenster her, das garantiert verschlossen war, und „side door open, seal broken“, wie der Zöllner feststellt. Man sagt uns noch, dass nächste Woche 38 Camper kommen, dann sind wir entlassen. Gut so. Das Wetter ist fein, wir checken im Hotel aus und fahren Richtung Süden, weil es in Newfoundland noch einen halben Meter Schnee und eisige Temperaturen hat.

Geologisch hat sich Nova Scotia vor Millionen Jahren durch vulkanische Tätigkeit vom Meeresboden zur Meeresoberfläche erhoben und ist zu Landmasse geworden. Umgeben von Wasser, ist es naturgemäß atlantischer Fischgrund für alles mögliche Meeresgetier gewesen. Nicht mehr heute, wo es nach 3 Jahrzehnten Abfischung nur noch bedingt Meeresfrüchte gibt. Der Grund ist augenscheinlich: Einzige Möglichkeiten der Existenzsicherung sind der Lobsterfang, dann, ebenso ertragreich, der Experten-Tauchgang nach den begehrten grünen Meeresigeln und schließlich die großflächige Kultivierung von Scallops, also Jakobsmuscheln um Digby herum. Ausschließlich der Lobsterfang bringt das große Geld, ansonsten prosperiert hier schon lange nichts mehr, erkennbar an zusammengestürzten oder zum Verkauf stehenden Häusern. Letztere finden nicht einmal bei New-Price- oder Buy-One-Get-Two-Angeboten geneigte Käufer.

Die Lobster-Fischer benutzen Maschendraht-Fallen (Bild, Karte), die im Innern mit Zement beschwert und mit Ködern und einer Art Plastiknetz mit 2 „Eingängen“, die für den Lobster nie mehr Ausgang werden, bestückt sind. Dann versenkt man die Käfige auf den Meeresboden und markiert ihre Position mit an Seilen befestigten Leuchtbojen. Ein Pfund Lobster kostet beim Fischer vor Ort 6 CAD, im Supermarkt 8 bis 12 (also 5 oder 6 bis 9€), im Export ein Vielfaches - leicht voraussehbar, dass in nicht allzu ferner Zukunft das Lobster-Bassin leer sein wird.

Wir proviantieren nur „wild Atlantic fish“ wie den festfleischigen Boston Blue, den Haddock oder Sole, was wir im Fleisch-Rohzustand riechen und auf der Zunge schmecken. Die Kabeljauzungen/cod tongues in gebuttertem Basmatireis sind nicht nur für uns, wie wir vermuten, einzigartige Gaumenspezialität. Aber auch das Fleisch ist süßer als in Europa: Ein Camper-Abendmahl, bestehend aus T-Bone Steaks mit Mashed Potatoes, zerdrückten Kochkartoffen mit Schale, wie wir sie in Halifax serviert bekamen, findet absolut unseren Geschmack.

Der Lava-Steingrund des Gebietes ist auch verantwortlich für großflächige Sumpf- und Urwaldgebiete, heißt, dass sich das Inland der Kultivierung widersetzt und nahezu undurchdringlich ist. Deshalb ziehen sich die Highways auf hohen Dämmen durchs Land, Waldbäume wurzeln nur flach, wachsen nur, solange der Nährstoffvorrat reicht, dann fallen sie einfach um. Der Urwald erneuert sich selbst ohne die eingreifende Hand des Menschen, vergeht, entsteht, für uns absolut erfahrbar, als wir den Cape-Split-Trail gehen, ein strammer Marsch von 3 Stunden und 16 km, der uns an die Küsten Schottlands entführt. Wir sind beeindruckt von „NEUschottland“, der Vereinnahmung von First Nation Territorium durch Siedler aus dem fernen Europa, die in diesem Gebiet ihre „Heimat“ wiederentdeckt haben müssen.

Wir umfahren den westlichen Teil von Nova Scotia, stehen 5 Abende frei und sind einfach vom Wetter verwöhnt: Peggy´s Cove, Lighthouse und Harbour, Lunenburg, Cape Forch in Yarmouth und Gilbert´s Cove sind in der Vorsaison ein einziges Paradies für Camper. Dann Wetterwechsel: Long Island mit seinem Balancing-Rock-Trail und unserem Standplatz im Nowhere nahe Freeport, wo wir einfach im weichen Steppengras liegen und den einbrechenden Abend auf den Felsen über uns ergehen lassen, die Bay of Fundy, Natural Wonder, konkret Cape d´Or und unser Standplatz, von wo aus wir einen Spaziergang auf dem Meeresgrund (Bild, Karte) unternehmen, dessen Spuren 3 Stunden später einfach hinweggespült und unter 12 Meter Wasser vergessen liegen - noch nie erlebt: Die Bay of Fundy ist der Tidenhub der Welt mit einer Differenz zwischen Ebbe- und Flutwasserspiegel von 16,3 m bei 4,4 cm Steigung bzw. Senkung des Wasserspiegels pro Minute, also über zweieinhalb Meter pro Stunde. Im Joggings-Fossil-Cliffs-Museum sehen und lernen wir alles über das Auseinanderbrechen von Pangea („You guys/wir Europäer drifted eastwards, we unluckily drifted northwards) und über das Karbon, das einzigartige Footprints der Entwicklungsgeschichte der Erde in den versteinerten Baumstämmen an den Felswänden von Joggings hinterlassen hat, die nicht ausgegraben werden mussten und alle Zeiten überdauert haben. Nur die Tide nimmt sie alle sechs Stunden in Besitz, gibt sie bei Low Tide aber wieder zum Betrachten frei.
Das Gezeitenmuseum in Joggings an solch umstürmtem Platz ist wahrlich außergewöhnlich.

Bemerkenswertes:

  • Time flies:
    Herbst 2007 in der Türkei bei den Kurden: Wieviel KINDER habt ihr? Da kinderlos, erfinden wir der Einfachheit halber 3 Buben.
    April 2016 in Nova Scotia: Have you got GRANDCHILDREN ? Kalt erwischt: „No, we haven´t“, wird mit Bedauern quittiert.
    Soweit zum Altern!

  • Info für Nova-Scotia-Reisende:
    Trinkwasser gibt´s, wenn überhaupt, an Self-Serve-Stations.

  • Unser Laster löst immer ähnliche Reaktionen aus:
    It´s awesome. Have you dropped from heaven? Awesome. Is it delivery? What´s in it?

  • Dass bei allen Consumer-Preisen noch einmal 15 % Tax hinzukommen, war uns nicht gegenwärtig. Zudem: Wenn man eine Rechnung in einem Restaurant bezahlt, ist das Trinkgeld als Extra ausgewiesen, das man ebenso per Credit Card, je nach Zufriedenheit mit dem Service, mit mindestens 15 % des Rechnungspreises zusätzlich abführt.

  • Adopt a highway-part heißt, man übernimmt die Patenschaft, also Verantwortung für 5 Highway-Kilometer, liest den Müll zusammen und stellt ihn in Säcken an die Straße: Kostenneutrale Bürgerbeteiligung in kommunalem Interesse.
Erstellt am Samstag, 7. Mai 2016
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