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to the land of plenty

ALASKA - The Last Frontier und vor allem anderen Heilbutt- und Lachsparadies

„I´ve also been ID-ed when I wanted to buy some beer“, sagt einer aus Oregon zu uns, als wir von unseren Erfahrungen in der Brewery von Healy erzählen, denn wir sollen unsere IDs vorzeigen, bevor wir ein Bier konsumieren. Was ist das denn? Wir sind weder minderjährig noch „banned“, also Akoholiker. Tom lehnt ab: Keine ID. Hin, her, hin, her. Tom zeigt den Führerschein, kriegt ein Bier, aber nicht zwei, die er will, nämlich auch eins für mich. Ne, geht nicht. Die Frau braucht auch eine ID. Ob solcher Restriktionen unserer Freiheit lassen wir das bereits eingeschenkte Bier stehen und gehen einfach. An dem Get-Seated Desk nachfragend, was es mit dem Ausweisen auf sich habe, antwortet die Dame: „It´s Alaskan law.“ Es sei ein Schutz für Alkoholiker, die nicht mehr selbstverantwortlich seien. Natürlich kriegten wir ein Bier, doch mit ID, denn der Barkeeper müsse sich ans Gesetz halten. Der gleiche US-Bürger aus Oregon, der mit seinem „Buddy“ unterwegs ist, einem schönen karibischen Dreadlock-Menschen, dem wir auch unsere Irritation mit dem hiesigen Menschenschlag schildern, gibt eine plausible Erklärung für das geduckte und freudlose Verhalten der Alaskaner: „You know, all Alaskans are runaways. Why would somebody stay in such a place? I also ran away when I came here.“ Und auf der Straße sind wir eher mit aggressivem Verhalten gegenüber unserer Langsamkeit konfrontiert (auf Vancouver Island später auch), mit Road Rage also, vor der uns ein kanadischer Trucker vor 3 Monaten gewarnt hat. Auch beim Lachsfischen geht´s rau zu, wie man von Anglern hört und auf aufgestellten Tafeln liest: Dort wird nämlich gebeten, Höflichkeit zu praktizieren und „foul language“ zu unterlassen. Schließlich charakterisiert eine belgische Overlanderin, die wir vor Dawson treffen, Alaska als versifft, vermüllt und voll mit Schrott. Auch wahr. Selbst das Wetter verweigert ein positives Reisegefühl: Der Denali, The High One, versteckt sich unter tief hängendem Gewölk und schweren Regen, so dass wir die Idee, den Park zu sehen, aufgeben. Nur schlechter Start ins Alaska-Abenteuer oder Entzauberung des Mythos? Sehen wir ´mal. Aber sicher wird es ein Alaska geben, das nur wir so kennen.

Alaska hat 8 größere Highways, die gleichzeitig die 8 attraktivsten Touristenrouten sind: den Alaska von der BC-Grenze bis Fairbanks, den Dalton von Fairbanks nach Deadhorse, den Parks von Fairbanks nach Anchorage, den Richardson von Fairbanks nach Valdez, den Seward von Anchorage nach Seward, den Sterling von der Seward Junction nach Homer, den Glenn von Palmer nach Glennallen und den Denali von Cantwell nach Paxson. Von diesen 8 führen 4 an Land´s Ends, nämlich nach Homer (Bild, Karte), Seward, Valdiz (#1, #2), alle am Golf von Alaska gelegen, und nach Deadhorse am Arktischen Ozean. Der Dalton bis zum Polarkreis, obwohl Schotterstraße, liegt bei betuchten Grauhaarigen voll im Trend. Sie reisen zu zweit mit Privatchauffeur oder mit Guide und Koch in Overlanderbussen, die einmal für junge Leute gedacht waren, und finden das nach all den luxuriösen Kreuzfahrten richtig rustikal. Natürlich lässt man sich das 3-wöchige Abenteuer auf Unternehmerseite großzügig entgelten, muss der individuell Chauffierte sogar für potentielle Steinschlagschäden an der Frontscheibe aufkommen. Was wir auch nicht wussten, aber am eigenen Leib erfahren, ist, dass im Golf von Alaska im August eine Art Monsunwetterlage vorherrscht, die sogenannte Alaskaströmung, was bedeutet, dass der tägliche Regen warm ist und die strahlenden Gletscher unter bis zum Boden reichenden Wolken verborgen bleiben. Darüber fällt aber kein Wort, wie uns einer sagt, denn andernfalls nähme der Gletschertourismus Schaden. Die Lachsfischer kämen allemal, ihnen sei das Wetter gleich, sie schauten eh nur nach unten. Wir aber sind genau wegen dieser Alaska-Gletscherkulisse gekommen, sehen diese aber zunächst nur bedingt. Allerdings sind die Farben der US-Provinz zu diesem Zeitpunkt ganz speziell: Dominierend sind nordische Blau-Weiß-Schattierungen, solche in Grau, in herbstlichem Gelb-Grün-Braun, in Schwarzgrün-Blau-Grau, alles mit fließenden Nebel- oder markanten Faltenlinien.

Überraschend intensiv erleben wir die Lachsernte im August:
„We vac, pac, freeze and FedEx fish", lesen wir als Serviceangebot und verstehen erst viel später, was es bedeutet, nämlich dass man den eigenen Fang vakuumieren, verpacken, einfrieren und mit FedEX in die Heimat verschicken lassen kann. Einer erzählt, dass sein Fang der teuerste Lachs sein wird, den er je gegessen hat.

Wanderung und Lebenszyklus des Lachses:
Seit Jahrtausenden ziehen Lachse den Yukon hinauf, um in den vielen Nebenflüssen zu laichen. Die Weibchen legen ihre Eier ausschließlich in ihrem Geburtsfluss ab - in einer Art Kiesmulde, die sie graben und die von klarem Wasser überspült ist. Da das unzählige Lachsweibchen tun, muss das Männchen die Grube verteidigen. Sind die Eier befruchtet, beginnt das Sterben der beiden Lachseltern, während die Eier über den Winter heranreifen. Zu Frühlingsbeginn schlüpfen die sogenannten Brütlinge, die unter dem Kies verbleiben und sich ausschließlich vom Dottersack ernähren. Wenn dieser zu Frühlingsbeginn aufgebraucht ist, tauchen sie aus dem Kies auf und ernähren sich aus dem sie umgebenden Wasser in der Mulde sowie kleinen Insekten auf dessen Oberfläche und wachsen heran. Nach einem weiteren Winter im Süßwasser beginnen sie ihre Wanderung flussabwärts. Am Ende ihrer Reise erreichen die sogenannten Sälmlinge oder Junglachse das Beringmeer, wo sie 2-6 Jahre leben und sich zu ausgewachsenen Lachsen entwickeln. In dieser Zeit durchwandern sie den nördlichen Teil des Pazifischen Ozeans. Anfang des Sommers treten sie ihre zweimonatige über 3.000 km lange Reise ins Süßwasser an, dies ohne Nahrung zu sich zu nehmen. Sie leben dann ausschließlich von den Fettreserven in ihrem Körper. Schließlich kehren sie in ihre ursprünglichen Laichgewässer zurück, wo sie wie ihre Eltern nach einmaligem Ablaichen sterben und somit den Lebenskreislauf vollenden. Aber selbst als Kadaver bilden sie eine reichhaltige Nahrungsquelle für wirbellose Tiere, Vögel, Säugetiere und für den Menschen, für den sie ein kostbares Reservoir sind. Natürlich weiß der kluge Angler, dass der Lachs am besten schmeckt, wenn man ihn fängt, möglichst kurz nachdem er gerade ins Süßwasser gelangt ist, also am Yukon, denn von da an verbrennt er dadurch, dass er stromaufwärts zu seinem Laichgrund buchstäblich springt, mit jedem Meter Energie. Sobald er abgelaicht hat, was man daran erkennt, dass er weder schwimmt, noch kraftvoll springt, sondern still steht und dass er seine Farbe von Silbergrau zu schließlich Braun verändert, hat das Fleisch mindere Qualität bzw. ist „matschig“ , also ohne die Konsistenz, die dem Gourmet so wichtig ist.

Ein paar Fachbegriffe, wenn man sie wissen will:
anadrom, Adj. = im Süßwasser laichend und im Salzwasser lebend
semelparous, Adj. = nach dem Ablaichen sterbend
redd = Laichgrube
yolk sac = Dottersack
alevin/fry = Brütling
smolt = Sälmling, Junglachs
to spawn = laichen

Erste Begegnung mit Lachs und Lachswanderung haben wir in Soldotna, wo am Kenai River Angler stehen, die alle paar Minuten Lachse aus dem Fluss ziehen und ihren Fang aus Kühlgründen gebündelt in den Fluss hängen. Einer hat gerade einen Silberlachs gefangen und macht ihn sauber. Gefragt, ob er uns ein Filet verkauft, sagt er nicht nein, packt aber nach Abschluss des Deals sofort seine Anglerausrüstung zusammen und verschwindet - aus gutem Grund, denn er darf seinen Fang nicht versilbern, sondern nur zum eigenen Verzehr aus dem Fluss ziehen. Abends liegt das feuerrote Lachsfilet bei uns auf dem Tresen. Köstlich.
Am Deep Creek vor Homer treffen wir auf Christian, einen passionierten Fliegenfischer, kurz nachdem wir den Once-in-a-Life-Time-Fang einer Heilbuttmannschaft bewundert, angefasst und fotographisch festgehalten haben. Christian macht uns erneut Appetit auf Fisch mit der Ankündigung, er wolle am Nachmittag einen Silberlachs fangen. Sein Vorhaben gelingt: Ein 3 Kilo schwerer Kerl hängt bereits nach 10 Minuten an seinem Haken. Er wird fachmännisch ausgenommen, mit der Zange entgrätet und mit dem Messer filetiert. Und wieder liegen, dieses Mal aber zwei feuerrote, fangfrische Filets von etwa einem Kilo auf dem Tresen, die wir zu dritt genüsslich verspeisen - ein Gaumenfest, das uns ein für allemal verderben wird, denn wir werden von nun an jeden Lachs an diesem auf der Zunge zergehenden Fleisch messen.
Auf dem Weg nach Seward dann sehen wir in einem Bächlein etwa 30 Sockeyes, manche von Pilzen befallen, andere verendet, aber wunderbar rot schillernd. Sterbeschau auf höchstem ästhetischem Niveau (#1, #2, #3).
Anderntags, unserem grausten Alaskatag, erfasst uns an der Dayville Road vor Valdiz am Copper River das Grauen beim Anblick Hunderttausender Lachse, die in die Bäche drängen, und ebenso vieler Laichopfer in unterschiedlichen Stadien des Sterbens: mit Pilzen übersät, hastig röchelnd, manche mit offenem Maul den letzten Atemzug tuend, schließlich solche, die Futter werden oder schon skelettiert sind - von Möven, genauso vielen an der Zahl, die sich an den Eiern und Kadavern gütlich tun, laut schreiend ob des üppigen Mahls, während ein Bär nur noch mäßig motiviert ist, den springenden Lachs mit seinen Tatzen zu ergreifen. Er ist einfach satt nach Monaten des Proteinüberflusses. Werden und Vergehen am selben Platz für 4 Sinne wahrnehmbar: Unsere Augen erfassen Lachs, Möve und Bär, unsere Ohren peinigt das Geschrei der Möven, unsere Nasen wehren sich gegen den Gestank von Verwesung und Fäulnis, die Zunge schüttelt sich beim Geschmack von Kompostierung, und auf die Psyche legt sich der Schatten des Todes. Nein, heute gibt´s keinen Fisch.

Wir treffen Christian wieder in Teslin/Yukon und erfahren viel über das Fliegenfischen und die Kunst der Köderherstellung. Allein seine „Fliegen“-Sammlung ist eine einzige Feder- und Farbenpracht (#1, #2). Ein Köder mit Namen „Tchernobyl Ant“ imitiert eine Ameise, ein anderer einen schillernden Kleinfisch; doch einer, von einem Mitangler geschenkt, sticht heraus aus der schönen Kollektion. Er ist feinstes, filigranstes Kunsthandwerk, gefertigt unter anderem aus Pfauenfederflaum.
Und Tom beißt an.
Wir reisen mehr oder weniger mit Christian zusammen weiter, und mit professionellen Würfen, bei denen die Schnur in Lassoschlaufen in der Luft steht, holt Christian fürs Abendessen tatsächlich 4 Äschen aus dem Fluss: Der Rogen ist leuchtend orange, der Duft des Fleisches in der Alufolie auf dem Grill wundervoll, und mit Gesellschaft gewürzt, schmeckt der Fisch einfach himmlisch.
Auf dem Weg nach Stewart und Hyder/Alaska geht Tom mit Christian eine Angel kaufen, und am Fish Creek (wie bedeutsam) bekommt Tom zunächst einen Trockenlehrgang im Angelruten Zusammenbauen und Bedienen (Bild). Gleich darauf stehen beide Männer am Fluss: Angelpraxis ist angesagt (Bild), aber nicht ohne mit Bärenspray und Bear Bangers ausgerüstet zu sein. Tom macht alle angekündigten Anfängerfehler: Der Angelhaken hängt im Baum und am anderen Ufer im Holz, geht verloren, die Schnur verheddert sich, Tom verliert den Fisch, weil sein Einholen zu hastig sei, stattdessen müsse er den Fisch in die Strömung stellen, warten, bis dieser müde sei, dann ans Ufer dirigieren, wo das Messer auf ihn warte. Das Durchtrennen der beiderseitigen Kiemen mit einem Messerschnitt sei eine hohe Kunst. Nach einer Stunde Nassübung - Christian ist da hartnäckig - steigt Tom in Christians Anglerkluft (Bild), und siehe da, der Fisch beißt: Es ist ein Pink Salmon (#1, #2). Hyderabad!!! Ganz schön groß!! Respekt! Abends hängt die Kluft am Womo, der Lachs erfährt seine finale Bestimmung auf dem Feuer, und Christian spendiert zur Feier des Tages eine Runde Single Malt.
In Prince Rupert endet unsere gemeinsame Reise mit einem Sushiabend, angerösteten japanischen Gemüse-„Maultaschen“ und Thunfisch-Toro, dem nahrhaften und schmackhaften Bauchlappenfleisch des Fisches. Die Crème Brûlée mit Ingwer ist würdiger Abschluss einer ganz besonderen Reisephase.
Es war schön und ereignisreich mit dir, Christian, und wir hoffen, dich eines Tages, wenn wir alle wieder zu Hause sind, einmal wiederzusehen.
Bis dahin: Tight Lines!

Erstellt am Sonntag, 4. September 2016
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