Angeturnt, abgefuckt, abgelegt, angedockt

Donnerstag, 9 Dezember 2021

29. Juni bis 2. September 2021

… FREUEN WIR UNS AUF DAS FRÜHJAHR 2020, KONKRET: AUF DIE FAHRT AUF DEN FRANZÖSISCHEN KANÄLEN …

- das unsere finalen Worte im letzten Blogeintrag Ende September 2019

Aber es kommt alles anders, als wir denken,

denn das Coronavirus und seine Mutanten machen uns zunächst einen Strich durch die Planung: Luxemburg und Frankreich sind wegen überhöhter Inzidenzien in 2020 im Total-Lockdown, die Marinas für Gastlieger geschlossen. So gibt´s bald eine Veränderte Vision, heißt, in 2021 auf dem Main, dem Main-Donau-Kanal und der Donau von OF bis ans Schwarze Meer zu fahren. Diese Vision verfolgen wir mit eisernem Willen, was auch bedeutet, dass wir uns möglichst schnell impfen lassen müssen. Am 10. Juni 2021 erwerben wir mit der vollständigen Impfung auch unsere Handlungs- und Reisefreiheit.

Der Main

Flussportrait

(aus dem Binnenkarten Atlas 12 der „Kartenwerft")

527 km lang, auf 387 km, nämlich von Mainz bis Bamberg schiffbar, 34 Schleusen überwinden 150 m Hub, Bootsführerschein vorgeschrieben, dank des Main-Donau-Kanals mit dem Meer verbunden

Wir fahren den Main von West nach Ost zu Berg, dies in unglaublich ausladenden Süd-Nord-Bögen, dazwischen mit wenig Fortkommen in östliche Richtung, weil Mittelgebirgszüge - der Bayerische Spessart, der Steigerwald, die Fränkische Alb, der Bayerische Wald und die Hassberge - seinen Lauf behindern. So ist es nicht verwunderlich, dass wir in Klingenberg nach 2 Tagen Fahrt immer noch die Skyline von FFM sehen und erst nach 3 Wochen in Bamberg sind, das Luftlinie gerade einmal 187 km von Mainz entfernt ist.

Transportweg war der Main bereits für die Römer, doch trug seit Ende des 19. Jhds. die zunehmende Industrialisierung maßgeblich dazu bei, dass der Fluss zu einer leistungsfähigen Wasserstraße zwischen Rhein und Donau ausgebaut, heißt seine Befahrbarkeit u.a. durch Schleusen reguliert und gesichert wurde.

Sechs Anmerkungen

Sportbootskipper scheuen Schleusen wie den Beelzebub, weil jede anders und deshalb unkalkulierbar ist, weil Berufsschifffahrt (die „Schwarzen“) und Hotelschiffe (die „Weißen“) im Spiel sind und weil jeder Schleusvorgang Unerwartetes bringt, sei es durch das Wetter, das Verhalten der Großschifffahrt oder die eigene Fehlbarkeit. Deshalb wundert es nicht, dass viele Bootseigner auf dem Main mit Schleusen im Abstand von 11 km lieber im Heimathafen chillen, ein bisschen spazieren fahren oder im Schleusenbereich und in Altarmen über Nacht ankern, anstatt groß aufzubrechen - das Boot als schwimmendes Wochenendhaus ist tatsächlich weit weniger stressig als als Reisevehikel. Reisenden wie wir, die schleusen müssen, empfiehlt die YACHT vom 16. 8.2017 eindringlich:

Beide Seiten vorbereiten. Fender und Leinen an Back-und Steuerbord bereithalten, weil sich die Seite zum Festmachen in der Schleuse durch Wind, Strömung oder Anweisung des Schleusenpersonals kurzfristig ändern kann. Zudem wird häufig im Päckchen geschleust. Ein Fenderbrett oder Kugelfender für Spundwände mit Vertiefungen sowie ein Bootshaken sollten beiderseitig bereitliegen. Besonders in Schleusen ohne Schwimmpoller darauf achten, dass die Leinen lang genug sind. Ausreichend Abstand zum Schraubenwasser der Berufsschifffahrt halten. Wenn man mit anderen geschleust wird, möglichst weit nach vorn fahren, wenn man allein geschleust wird, in der Mitte der Kammer festmachen. Drempel (= Torsockel unterhalb des Wasserspiegels) beachten. Sie sind mit einer gelben Begrenzungsmarkierung gekennzeichnet. Hat es Schwimmpoller, kann mit Vor- und Achterleine festgemacht werden. Befinden sich Poller, Leitern oder Stangen in der Wand der Schleusenkammer, müssen die Leinen mitgefiert werden. Leinen nicht belegen. Sollte das Schiff trotzdem hängenbleiben, muss ein Beil bereitliegen.

Schleusenampeln auf dem Main sind grün und weiß. Angezeigt wird damit, dass nur eine und welche Kammer offen ist.

Absolut professionell ist die Kontaktierung der Schleuse dergestalt: Sportboot „Akina“ für Schleuse Marktbreit

Den Schleusenwärtern auf dem Main gebürt ein übergroßes Lob, sind doch die meisten im Vergleich zu denen auf dem Neckar absolut korrekt und sachlich hinsichtlich der Priorität der Berufsschifffahrt, ausgesucht professionell bezüglich notwendiger Infos, höflich und gar nicht herablassend im Umgang mit uns „Kleinen“ und kooperativ, wenn es um unsere Sorgen und Nöte oder spezielle Bootseigenheiten geht. Und Fakt ist, dass sie uns ab Wipfeld 9 x allein schleusen.

Die Pandemie stellt sich für uns als günstiger Vorteil heraus, denn es gibt immer freie Gastliegeplätze.

Das Interesse der Menschen am Fluss, an Booten und Freizeitbeschäftigungen auf dem Wasser steigt von 2020 auf 2021 drastisch an. In Würzburg und Schweinfurt erleben wir, dass Bootsfahrschullehrer, was Prüfungen und Fahrstunden angeht, sich kaum vor Anwärtern für die begehrten Scheine retten können. Einer ist 12 Stunden ohne Mittagspause mit Schülern auf dem Main unterwegs, eine Lehrerin berichtet von 65 Prüfungen, die sie demnächst abnehmen müsse. Zudem wird der Fluss mehr und mehr Freizeithotspot, erkennbar wochenends, wenn Raser, Jet- und Wasserskifahrer, Paddler, Ruderer und SUPs unterwegs sind. Das Magazin boote, 4 2021 zitiert in seinem Report mit dem Titel Das Jahr, als alles anders war die beiden Geschäftsführer P. und R. Nürnberger von Europe Marine:

Der erste und aktuell zweite Lockdown zwingen uns, uns anzupassen. Der auf die Lockdowns folgende Nachfrage-Boom stellte uns vor eine neue Aufgabe, nämlich rechtzeitig Boote für die Kunden zur Verfügung zu haben. Bis jetzt kämpfen wir um jedes Boot von jedem Hersteller, damit wir der doppelt so hohen Nachfrage gerecht werden können. Seit Monaten verkaufen wir bereits für 2022.

Wie das Magazin weiter berichtet, sind auch die Vercharterer in 2021 aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Dazu Doreen Block, Basismanagerin von Le Boat:

Seit Mai, also seit wir wieder vermieten dürfen, sind die Buchungsanfragen für unsere deutschen Basen durch die Decke gegangen. Wir konnten die hohe Nachfrage gar nicht bedienen, weil die Hauptsaison so gut wie ausgebucht war. Aber dann hat sich die Saison einfach nach hinten verschoben.

So ist die Corona-Pandemie nicht nur Hemmschuh, sondern auch Beschleuniger in Sachen Wirtschaftswachstum und Trends.

Mainschleusen

Eine aktuelle Liste der Mainschleusen gibt es immer hier: ELWIS

Als der ADAC meldet, dass die bayerischen Marinas vom 1. Juli an wieder Gastlieger zulassen, ist’s soweit, unsere Reisevision in die Tat umzusetzen:

Logbuch Main

Also gleich am Dienstag, 29. Juni 2021 um 8.30 h Taxi zum Bootsbau Speck, 9 h Ankunft dort, 30 Min. fürs Mast-aufs-Boot-Kranen, schwarze Süßkirschen vom Gelände als Mittagessen, 14 h Abtransport des Boots zum Kran, 14.30 h Einkranung bei Main-Kilometer 25, 15.30 h weg von Speck-Island. In Frankfurt Unwetter: hinter Tom rotgelbe Blitze, Starkregen, Wind, Wellen. Wir pitschenass, weil wir vergessen haben, dass wir einen Innensteuerstand haben. Gegen 18.30 h Anlandung am öffentlichen Offenbacher Stadtsteg: Endlich daheim, das Unwetter vorbei, alles gut. Tom bleibt über Nacht an Bord, ich in der Lud- 41.

Am Mittwoch, 30. Juni, ab 19 h Bordfest bei Flusskilometer 42: Punktgenau zum Fest setzt Starkregen ein, der die Eingeladenen in Spreu und Weizen trennt, denn manche blockieren sowohl Kontakt als auch das besondere Ereignis, so dass es unsererseits zu noch nächtlichen Kontaktaufkündigungen mit geglaubt Gleichgesinnten kommt. Georg und Yvonne gehören nicht dazu. Bei einsetzender Dunkelheit gefährliche Nötigung durch die „Cathalun“, einen 180-m-Schubverband: Sie keilt uns ein, will einparken. Bis auf 20 cm kommt sie unserem Rumpf nahe. Uli dokumentiert den mächtigen Aggressor und seine Aktion mit wunderbaren David-Goliath-Fotos. Der Kapitän tritt auf den Plan: Wir sollen verschwinden, tun wir aber nicht, denn wir sind alkoholisiert. Stattdessen verlassen wir einschließlich unserer Gäste das Boot und rufen die Wasserschutzpolizei. Erst da weicht der Koloss. Wir gehen unmittelbar darauf alle wieder an Bord und feiern bis tief in die Nacht weiter. Tom und ich sind nach dem Event recht ausgepowert, aber froh, hier zu liegen. Wir bleiben an Bord und schlafen wie Murmeltiere.

Am Donnerstag, 1. Juli, punktgenau um 11 h Abfahrt von OF mit Ziel Aschaffenburg, die Stadt bayerisch und deshalb die Marina heute das erste Mal offen für Gastlieger. Doch bereits 11 km nach Fahrtbeginn enden wir manövrierunfähig in der Schleuse Mühlheim. Der Grund: Die Halterung des Bowdenzugs am Getriebe hatte sich just nach dem Aufstopper in der Schleuse gelöst. Tom wollte noch ein bisschen korrigieren, hatte aber keinen Schub mehr. Horror und verlangsamtes Denken. Entweder Schraube los oder Getriebe kaputt. Während des Schleusvorgangs dann den Fehler gefunden. Ich nach der Weisung von Tom bei der Ausfahrt manuell eingekuppelt, und raus aus der Schleuse. Dann am Sportbootwarteplatz im Oberwasser festgemacht: Nach 5 Minuten waren die 2 Schrauben aus der Bilge gefischt und wieder drangeschraubt. Motor gestartet, weiter … Nach 9 Stunden Fahrzeit, 46 km und 3 Schleusen Ankunft in Würzburg. Dort 6 Marinas. Wir bevorzugen den MWCA, die einzige Marina mit Clubhaus und sanitären Anlagen: Einfahrt bei Km 88, Vorsicht: wegen zu geringer Wassertiefe (weniger als 1.20 m) aufgrund von Versandung für größere Boote nur bis Steg 6 an der Kopfposition geeignet
Hafenmeister Uli Becker: 0171 2346963

Fr., 2. Juli
Aschaffenburg - Erlenbach
4 Stdn. 30 Min. Fahrzeit, 23 km, 2 Schleusen
Erlenbacher WSC, Km 107, WT 2.8 m, Kontakt: 0151 27370586
neue Steganlage für 4 bis zu 12 m lange Gastboote an Schwimmstegen außerhalb der eigentlichen Marina backbords vom Schutzhafen des WSA

Sa., 3. Juli
In Erlenbach werden die neu installierten Geräte kalibriert, die alten durch neue rote Fenderleinen ersetzt, die Aufräumaktionen nach dem Bordfest fortgesetzt; bei Königswetter erstes Bad im Main, dies unter Testung unserer Bademuschel, komfortablen Leiter und der edlen Edelstahlfootsteps am Spiegel, die für ältere Menschen einfach bequem zu begehen sind. Der Fluss enthüllt dabei einzigartig kunstvoll-abstrakte Formen und Linien sowie ungewohnte Farben.

So., 4. Juli
Erlenbach - Miltenberg
4 Stunden Fahrzeit, 18 km, 2 Schleusen
In Miltenberg bei Km 126.5/LU, quasi gegenüber vom mondänen YC Miltenberg, öffentlicher Liegeplatz für größere Sportboote hinter den Dalben für die Hotelschiffe: Tankstelle über der Straße, kein Service, aber roter Himmel, roter Fluss und blutrote Abend-Emotion, dazu in Laufnähe die St. Kilian Distillers von Single Malt Whisky

Mo., 5. Juli
Miltenberg - Wertheim
Dümpeln eineinhalb Stunden vor der Schleuse Freudenberg, weil 3 Große vorrangig zu Berg geschleust werden, also Berg-, Tal-, Berg-, Talschleusung, dann zusammen mit der „Amare“; in der Schleuse Faulbach wieder mit der „Amare“ und zwei Sportbooten
6 Stdn. 30 Min. Fahrzeit, 32 km, 2 Schleusen MYC Wertheim, Km 157, in der Tauber, WT 1.8 m, Kontakt: 0151 26755755 Liegeplätze für 2 Boote bis 12 m und 1.5 Tiefgang längsseits vom Clubschiff und nochmals 2 in den ersten beiden Schwimmstegboxen; Hafen mitten in der Stadt, nur 200 m bis zur Fußgängerzone.

Details über unsere Reise auf dem Main von Offenbach bis Wertheim in 2019 könnt ihr in unserem Blogeintrag TV going MAINSTREAM nachlesen.

Tschau, tschau Wertheim. Ab jetzt beginnt wieder Neuland für uns:

Di., 6. Juli Wertheim - Lohr
7 Stdn. 30 Min. Fahrzeit, 41 km, 3 Schleusen
Sportboothafen Lohr, Km 198, WT 2 m, Kontakt: 0160 92670761
nur 3 Liegeplätze für Boote über 10 m, deshalb unbedingt reservieren super Lage mitten in der Stadt

Mi., 7. Juli
Lohr: vormittags Einbau der Funke in das ehemalige „Radioloch“, dann Altstadtgang (#1, #2)

Do., 8. Juli
Lohr - Veitshöchheim
8 Stunden Fahrzeit, 48 km, 4 Schleusen
Marina Veitshöchheim, Km 245, WT 2 m
Hafenmeister Günter: 0171 7935108
Ebenso nur 3 Liegeplätze für Boote über 10 m, deshalb Reservierung unabdingbar
4 km nach dem Start in Lohr erneute, diesmal gefährliche Manövrierunfähigkeit in der Schleuse Steinbach: Die Merlin fährt nicht weit genug vor, wir gezwungenermaßen dichter auf als sonst und geraten in den Schraubenstrudel. Beim Aufstopper in der Schleuse heult der Motor auf: null Bremswirkung. Nerven blank. Wieder ein Problem mit der Schaltung? Hebel auf neutral, wir schrappen im steilen Winkel an der Schleusenwand entlang, ich hake mich mit aller Kraft an der Leiter ein, kann das Boot aber kaum halten, Tom zieht die Achterleine durch eine Leitersprosse und belegt um die Winsch. Nur so kriegen wir das Boot einigermaßen zum Stehen. Aber immer noch schiebt es nach vorn, obwohl der Schalthebel auf Leerlauf steht. Manuell lässt sich auskuppeln, vorwärts einkuppeln, aber nicht rückwärts. D.h., wir können vorwärts fahren, aber nicht bremsen. Also erstmal raus aus der Schleuse. Das Hotelschiff hupt wie blöd, weil wir so langsam sind, wird aber vom Schleusenwärter über Funk zurechtgewiesen. Ha, aber wo jetzt anlegen und auf Fehlersuche gehen? Keine Kaimauer, nur Dalben, die circa 20 m auseinander liegen. Also heranpirschen, Fender auf einen Haufen, Leinen raus, an der Dalbentreppe mit Vor- und Achterleine festmachen. Manöver gelingt: Wir liegen vertäut im Strom: Außen Ankerlicht und Bb-Positionslicht am Arsch. Innen alle Klappen auf, Seilzüge prüfen, alles ok. Dann Blick auf den Innensteuerstand: Hebel steht auf volle Fahrt voraus, Außensteuerstand auf neutral. Aha, da ist die Crux. Tom stellt beide Hebel auf neutral - und alles geht wieder. PUH.

In der nächsten Schleuse Harrbach fahren wir wie gebrannte Kinder mit vielleicht zu großem Abstand zur Berufsschifffahrt aus der Schleuse? - - - Jedenfalls schaltet 30 m vor dem Schleusentor die Ampel auf Rot, und das Tor schließt: Volle Kraft zurück. Nach Toms telefonischer Erinnerung, wortloses Klick: grüüüüüüün! Ob schuldloses Vergessen unserer Anwesenheit oder Absicht, wird nie einer erfahren. Nach so viel Erlebnis ist das Quer-zum-Strom-Rückwärts-Anlegen in der Marina Veitshöchheim fast ein Kinderspiel … und nach einem Fläschchen Scheurebe ist alles nur noch ein böser Traum. Scheint so …………. Ist’s aber nicht, denn es regnet den ganzen Abend, die ganze Nacht und am folgenden Morgen. Deshalb nach dem Wetteronline-Klick morgens die Entscheidung weiterzufahren:

Fr., 9. Juli
Veitshöchheim - Würzburg
2 Stdn. 15 Min. Fahrzeit, 8 km, nur eine Schleuse
Sportboothafen Würzburg, Km 253, WT 2.5 m
Hafenmeister Conny: 0171 3517319
Als wir in Veitshöchheim aus der Marina ausfahren, regnet es seit knapp 20 Stunden in Strömen. So führt der Main bereits Hochwasser und kommt uns mit Macht entgegen. Am Schleuseneingang der Schleuse Würzburg kehrt sich im Unterwasser auf einmal die Laufrichtung des Stroms um und zieht uns voran, anstatt uns abzubremsen. Tom bleibt cool, und wir machen einfach weiter hinten fest, denn wir müssen auf 2 Große warten, die uns bald passieren. Wir folgen, wollen an der letzten Treppe aufstoppen, verfehlen sie aber. Wieder bleibt Tom cool und fährt einfach zurück, während sich das Schleusentor schon schließt. Der erneute Versuch kein Problem. Ohne Bugstrahlruder wäre das Manöver schief gegangen. Für die vielen Zuschauer auf der Brücke wär’s natürlich anders spannender gewesen. Gleich nach der Schleuse die Einfahrt in den Sportboothafen Würzburg. Wir sind safe, doch es regnet weiter. Innerhalb von 12 Stunden steigt der Wasserpegel des Mains um 60 cm. Der Fluss gebärdet sich wie der Rhein, als wir havariert sind: auch da Starkregen, aber Niedrigwasser, die Strömung deshalb genauso stark, das Wasser voll mit Holz und anderem Treibgut. Heute allerdings ist der Main von den Einflüssen der übervollen Bäche eine tiefbraune Brühe voller Lehmsegmente. Und das Wetter kreist weiter wie ein Auge um Franken. Wir kommen, auch wenn wir nun stillstehen, nicht so recht zur Ruhe, doch sind wir froh, in einer Stadt (-Marina) zu sein - nahe an allen Annehmlichkeiten des Lebens, Großmärkten, Verkehrsverbindungen, kurz: an allem, was wir brauchen und wollen. So bleiben wir 7 Nächte, nämlich von

Sa., 10. bis Do., 15. Juli
Am Samstag Treibgut überall. Dennoch fahren an diesem Tag die Main Grillboote mit saufenden Männerhorden und einem verantwortlichen „Skipper“ auf den reißenden Fluss hinaus: Der Grill dampft von den extrem großen Fleischlappen, Alkohol bis zum Abwinken ist an Bord, es ist nur eine Frage der Zeit, wie Conny sagt, wann die gelben Plastik- und menschlichen Überreste im Unterwasser der Schleuse treiben, denn es gibt keine Rettungscrew, die zur Stelle ist, wenn der Motor ausfällt. Dann geht’s nur noch abwärts, dem sicheren Tod entgegen. Obwohl es nicht mehr unablässig regnet, steigt der Mainpegel am Sonntag um knapp 2 m auf 3.40 m. Das ist Meldestufe 1, heißt, dass jeder da bleibt, wo er ist, denn die beiden Schutzhäfen im Unter- und Oberwasser sind voll, die Schifffahrt ist komplett eingestellt und die Schleusen bleiben geschlossen. Conny räumt daraufhin die Marina und sorgt dafür, dass wir im Notfall über eine Leiter an Land kommen. Am Montag sind die Schwimmstege tatsächlich unter Wasser. Während unseres „Zwangsaufenthalts“ in Würzburg wird die Alte Brücke, Flanier-, Party- und Saufmeile, auch zu unserer Outdoor-Lieblingsflussbar: Man kann an den vorbereiteten Stehtischen ordern oder seinen eigenen „Saft“ mitbringen. So stehen Bocksbeutel, Bierflaschen, harte Sachen und vieles mehr auf der Brückenmauer, vorzugsweise vor den Heiligenfiguren, die die Sicherheit überwachen. Wir lieben es, da zu stehen, zumal das Abendlicht Brücke und Besucher in goldenes Licht taucht. Grandios. Gute Küche kann man in der Alten Mainmühle just an der Alten Brücke hoch über dem Fluss und dem Wehr oder in der Marina Hafenbar über dem Steg des Spotboothafens genießen. Auf den vielen Stadtgängen lernen wir durch aufgestellte Infotafeln, dass am 21. Juli 1342 Mitteleuropa „nach 2 Tagen anhaltenden außerordentlichen Wolkenbruchs“ vom größten bekannten Hochwasser jemals heimgesucht wurde. Damals stand das Wasser in Würzburg bis an den Dom, im Mainzer Dom einem Mann „das Wasser bis zum Gürtel“. In Köln konnte man mit dem Boot über die Stadtmauer fahren, in Regensburg, Passau und Wien herrschte Ausnahmezustand. Am 16. bzw. 17. Juli 2021 berichten taz und FAZ von der Totalzerstörung des Ortes Schuld an der Ahr, ausgelöst durch massiven Starkregen von Mittwoch- auf Donnerstagnacht (200 l pro Quadratmeter über 48 Stunden), im Verlauf dessen Häuser weggeschwemmt wurden und 100 Menschen zu Tode kamen. Jahrhunderthochwasser oder nach dem Klimawandel bald traurige Normalität? Auch am 17. Juli rät Radio Gong: Wer ein Boot oder ein anderes bewegliches Wasserfahrzeug auf dem Main zwischen Erlabrunn und der Schleuse Würzburg liegen hat, sollte es schnellstmöglich wegfahren. In den vergangenen Tagen waren die drei Stauwalzen der Schleuse Erlabrunn hochgezogen worden, um die großen Wassermassen nach dem Starkregen am Wochenende abfließen zu lassen. Als die Walzen gestern wieder abgesenkt wurden, blockierte die mittlere Walze, die damit teilweise geöffnet ist. Noch am Wochenende soll das Wehr mit einer provisorischen Reparatur verschlossen werden.

Fr., 16. Juli
Würzburg - Kitzingen
7 Stunden Fahrzeit, 32 km, 4 Schleusen, durch die uns die Heinz Hofmann, ein 200 m langer Schubverband, mitzieht
SSC Kitzingen, Km 286, WT 1.4 m, Kontakt: 09321 9319799
In der Marina alles frei für TV, weil wegen des Hochwassers alle Boote ausgetrailert sind - seltsames Glück, das uns ganz idyllisch, ganz allein und ganz exklusiv am Gästesteg stehen lässt. Etwa 3 km sind es von hier zur Altstadt. In diese Richtung gehen wir noch am späten Nachmittag, weil wir vom StadtSchopppen Kitzingen erfahren haben. Die Stadt wirbt dafür auf ihrer HP mit folgendem Text:

Wein trinken in herrlicher Atmosphäre direkt am Kitzinger Stadtbalkon mit Blick auf die historische Stadtsilhouette, mit italienischem Flair, inmitten des herrlich blühenden ehemaligen Gartenschaugeländes und unmittelbar am Main. Jede Woche von Donnerstag bis Sonntag bieten fränkische Weingüter Kostproben ihrer Weine an. Und sonntags gibt’s sogar Live-Music.

Jedes Wort ist wahr.

Sa., 17. Juli
morgens Altstadtgang in Kitzingen; die Alte Mainbrücke von oben, anderntags von unten, vom Boot aus; spätnachmittags in der Schlemmerei nahe dem Rathaus Trüffelpappardelle - köstlich; auf dem Rückweg Lehrgang über die Fischpopulation im Main (#1; #2), vorbei am öffentlichen Gemüsegarten der Stadt: das Gemüse für alle ist wirklich zum Abernten. Wir nehmen Kräuter mit, Zucchiniblüten, Salatköpfe. Der Salat steht abends bereits auf dem Tisch, die Zucchiniblüten gibt’s in Schweinfurt.

So., 18. Juli
Kitzingen - Wipfeld
5 Stdn. Fahrzeit, 31 km, 3 Schleusen
Sportboothafen Wipfeld, Km 316, WT 1.2 m
Hafenmeister Klaus: 0175 6683608

Mo., 19. Juli
Wipfeld - Schweinfurt
3 Stdn. 10 Min. Fahrzeit, 17 km, 2 Schleusen
bei Km 333 (öffentlich-) privater Liegeplatz an der Kaimauer im Wehr, 10 € pro Nacht, zu zahlen an Conny Dietz, die Bootsfahrschullehrerin; kein Service, aber mitten in der Stadt. Hinter uns liegt ein Berliner Segler, den vor vielen Jahren die Liebe zu einer Frau hierher verschlagen hat. Die Liebe ist gegangen, der ungewöhnliche Wohnplatz geblieben. Beim abendlichen Stadtgang entdecken wir geile Sachen: einen Flussfischer mit allen frischen und geräucherten Mainfischen, einen sprachbegabten Rhöner Metzger mit Dry-Aged Beef und das Hotel Ross mit feinster Küche.

Di., 20. Juli
Deshalb morgens Proviantierung bei der Inge Dittmar, die uns 2 Zanderfilets und eine geräucherte Lachsforelle verkauft. Nicht billig, aber einzigartig, und zur Belohnung Bouillabaisse um die Mittagszeit im Hotel Ross. Nachmittags kommt Klaus/Wipfeld mit dem Rad zu Besuch.

Mi., 21. Juli
Schweinfurt - Eltmann
7 Stdn. 40 Min. Fahrzeit, 37 km, 3 Schleusen,
YC Eltmann, Km 370, WT 1.4 m, Kontakt: 0174 1686035, nur mit Impfnachweis (Liegeplatz)
Der Club ist der gepflegteste, den wir auf dem Maintörn angetroffen haben. Zuvor in der Schleuse Ottendorf hohen Bullenbesuch. Einer, ein Sachse, will an Bord und alle Papiere sehen. Die Schleuse sei informiert und stehe für die Dauer seiner Kontrolle still. In Wahrheit hatten sie nichts zu tun, waren neugierig und wollten ebisserl schwätzen. Gut eine halbe Stunde waren sie mit uns zugange - ich die ganze Zeit an der Leine.

Do., 22. Juli
Eltmann - Bamberg,
4 Stdn. 30 Min. Fahrzeit, die letzten 14 Fluss- + 2 Kanalkilometer = 16 km, eine Schleuse
MBC Regnitz-Main Bamberg, MDK, WT 3.0 m, Kontakt: 0170 8566665
An der letzten Schleuse Viereth warten wir eineinhalb Stunden. Abends dann in der Marina mit Uli/Regensburg exzessives Genussfest auf der Regnitz mit Entrecôte, Kartöffelchen und kanarischem Malvasia - dies anlässlich

der erfolgreichen VOLLENDUNG der Reise auf dem Main.