Kanal-Allüren
23. Juli bis 5. August 2021
Der Main-Donau-Kanal (MDK)
Kanalportrait
Künstlicher Wasserweg von Bamberg bis Kelheim bzw. zwischen Main und Donau, 171 km lang, davon 100 km mit 11 Schleusen 175 m bergauf, dann europäische Wasserscheide mit 16 km Scheitelfahrt auf 400 m, schließlich 56 km mit 5 Schleusen 68 m zu Tal.
(aus dem Binnenkarten Atlas 12 der „Kartenwerft")
Der Kanal orientiert sich an den Flussläufen von Pegnitz, Rednitz, Sulz und Altmühl. Zu Beginn des 19. Jhds. als Ludwig-Donau-Main-Kanal angefangen, hatte er über ein Jahrhundert nur regionale Bedeutung. Dann von 1960 bis 1992 Bau des heutigen Kanals, der 4.7 Mrd. DM kostete, wovon 2.3 Mrd. in ökologische Maßnahmen z. B. im Altmühltal floss. Die Schleusen haben einen Hub bzw. Fall von 5 bis 25 m, so dass der Schleusenvorgang bis zu 40 Min. dauert.
Um nicht bei jeder Schleusung den vollen Schleuseninhalt an Wasser (57.000 Kubikmeter!) von der höheren in die niedrigere Haltung zu verlieren, befinden sich bei zahlreichen Schleusen neben den Kammern (treppenartig angeordnet) mehrere Becken, die beim Abwärtsschleusen Teile des Wassers auffangen und beim Aufwärtsschleusen wieder in die Kammern abgeben können.
... so sachlich-trocken informiert die „Kartenwerft“.
Für uns sind die Sparschleusen, deshalb so genannt, weil man die Hälfte der Füllung „spart“, eher emotional besetzt, dies weniger wegen der haushohen Kammern (#1, #2), sondern wegen der allgegenwärtigen Wassereinflüsse, die schon so manches Sportboot in der Kammer orientierungslos haben herumtorkeln lassen, weil ein Halten nicht möglich war. Dies die Kunde, aber auch bekanntes Faktum, das Wolfgang Banzhaf, in Die Donau 1, Der Main-Donau-Kanal, Verlag Rheinschifffahrt, 4. Auflage, 2014 beschreibt (Leider ist das informationsreiche Buch nicht mehr verfügbar!):
Beim AUFWÄRTSSCHLEUSEN ist zu beachten, dass das Füllen der Kammer durch Schächte am unteren Ende der Schleusenwand geschieht. Dadurch zieht die Strömung zur Schleusenmitte und belastet die Klampen extrem stark. Eine Mittelklampe allein hält das meist nicht aus, weil das Füllsystem auf die Berufsschifffahrt ausgerichtet ist, die die komplette Kammerbreite einnimmt. So sind die großen Hubhöhen und die Wasserverhältnisse durch Wirbel, Sog und Wellen beim Entleeren und Füllen der Schleusenkammern für Kleinfahrzeuge äußerst gefährlich.
Unsere Konsequenz: Nach doch einigen Blessuren fehlerlose Vorbereitung:
Daily Routine
- Etappenziel festlegen
- Marina kontaktieren
- Schleuseninfos einholen
- die UKW-Kanäle für die Schleusen, die angefahren werden, in der Funke einstellen und für den Notfall die Telefonnummern im Handy speichern
- Leinen und Bootshaken beiderseitig positionieren
- Edelstahlbeil, das Tom in Bamberg gekauft hat (wir vertrauen keinem Klappmesser!), platzieren
- Fernglas griffbereit hinlegen, um die aktuelle Schleusenlage zu beobachten
- Dann sich über Gefahrenquellen und Handlungsmöglichkeiten verständigen, absolut konkret und nach den gemachten Erfahrungen prüfen, ob die beiden Schalthebel von Innen- und Außensteuerstand auf neutral stehen
- Seeventile schließen
- AIS anschalten, um zu schauen, welcher Großer wann wo ist,
- schließlich Entscheidung treffen auszufahren oder nicht.
Für die, die eher etwas wissen als als Armchair-travelers etwas miterleben wollen, hier eine Skizze des Großbauwerks Sparschleuse:
Eine aktuelle Liste der MDK-Schleusen gibt es immer hier: ELWIS
Zusätzliche Infos dazu von uns:
- Uli/Regensburg, der uns vorausfährt, schreibt zu Kriegenbrunn (Km 48.6): zwischen 5. und 6. Leiter steuerbord starker Wassereinlauf, 2. Schwall überall, Schleusenhaken hoch ansetzen
- Europäische Wasserscheide bei Km 102.4 (Bild)
- Von Eibach bis Dietfurt haben die Schleusen 8 Schwimmpoller backbord
- Die Schleuse Riedenburg hat Schwimmpoller steuerbord, die Schleuse Kelheim backbord
Logbuch MDK
Fr., 23. bis So., 25. Juli Bamberg
Schlenkerla, die historische Rauchbierbrauerei
Aecht Schlenkerla Rauchbier, nach alter Väter Brauch und Sitt` gemäß zu Bamberg gebräuet,
gekühlet und gelagert in tiefen Berges Schoß,
ist ein besunder schmackhaft Lebenselixier
und kommet in altehrwürdigem Hause,
schon ANNO 1405 erwähnet und dermalen Schlenkerla benamset,
zum Ausschank.
Dieweilen aber das Gebräu beim ersten Trunk etwas fremd schmecken könnt,
lass dir’s nit verdrießen,
denn bald wirst du innehaben, dass der Durst nit nachlässt,
sintemalen dein Wohlbehagen sichtlich zunimmt.
Freitagmorgen: Klein Venedig und Schlenkerla: Letzteres ist, obwohl für Bamberg berühmt, nicht so richtig unsere Location, denn weder das süße Bier turnt uns an, noch macht uns die schwere Küche Geschmack. Doch ein Tag später landen wir auf den Tipp eines Freundes hin im Spezial-Keller, der mit traumhaftem Blick auf die Stadt ein derart krosses „Schäuferla“ serviert, dass uns bereits bei Anblick und Geruch das Wasser im Mund zusammenläuft.
Klein Venedig: Die Schiffer- und Fischerhäuser an der Regnitz bekamen von Maximilian I. diesen Namen. Es waren ins Wasser gebaute Pfahlbauten, deren Galerien früher zum Trocknen und Flicken der Netze genutzt wurden. Die Boote, die „Scheiche“ genannt wurden, konnten direkt in die damals offenen Untergeschosse hineinfahren. Im 19. Jhd. verwandelte man diese in schmucke Vorgärten.
Freitagabend: Besuch von Walter und Melise, mit denen wir in Nord- und Mittelamerika zeitweise gereist sind.
Samstag und Sonntag flanieren wir tags und nachts in der unvergesslich-schönen Stadt ( #1, #2, #3, #4, #5, #6, #7, #8 ). Wir lernen von den städtischen Infotafeln entlang der Regnitz, dass die Uferwege „Leinritte“ hießen und noch heißen und dass auf solchen Pfaden Pferde mithilfe langer Leinen Lastschiffe flussaufwärts zogen. Diese Treidelpfade direkt neben dem Fluss waren etwa 3 m breit und wechselten verschiedentlich das Ufer, sodass die Pferde den Fluss durchwaten mussten. Das Treideln war vor der Einführung des maschinellen Schiffsantriebs im 19. Jhd. die einzige Möglichkeit, gegen die Strömung zu fahren. Dies wurde von Bauern oder speziellen Leinreitern durchgeführt, die von den Schiffern bezahlt wurden. Das Zugseil war am Mast des Schiffes befestigt und lief schräg über den Fluss zum Pferdegespann. Die Treidelpferde mussten für diese schwierige Aufgabe speziell abgerichtet werden.
Die Strecke mainaufwärts von Frankfurt bis Bamberg (360 km km) dauerte je nach Wetter und Wasserstand im Sommer 13, im Winter 15 Tage, so die Berichterstattung auf den Tafeln. Wie viele Tage, glaubt ihr, haben wir wohl von OF nach Bamberg gebraucht?
Wir wissen es genau: 12 Fahrtage, also einen Tag weniger als damals!
Mo., 26. Juli
Bamberg - Forchheim
4 Stdn. 45 Min. Fahrzeit, 26 km, 3 Schleusen
YC Forchheim, Km 28 LU, WT 2.0 m, nur 15 Min. in die Innenstadt Kontakt: 0171 6207001
Die Marina liegt wunderschön im Regnitz-Altarm vor der Alten Brücke, doch saugen vorbeirauschende Frachter, wenn sie z.B. 1.200 t Stahl transportieren und so enormen Sog und Schwell erzeugen, sowie Sportbootraser die Regnitz leer und füllen sie wieder mit Karacho. Ein einzigartiges Wassergewalterlebnis.
Di., 27. Juli
Altstadtgang an der Wiesent entlang (#1, #2), Dinner auf der Wiesentbrücke mit Blick auf das“ Schiefe Haus“ in der Akropolis.
Mi., 28. Juli
Forchheim - Frauenaurach
5 Stdn., 20 km, 2 Schleusen
SBC Herzogenaurach, Km 47.7 LU, WT: An der südlichen Kaimauer geht alles. Kontakt: 0177 8179772 Wir fragen nach, ob Freunde mit ihren Wohnmobilen auf dem Marinagelände stehen könnten: Kein Problem, ist die Antwort, ihr könnt auch den Strand (die Marina hat einen aufgeworfenem Sandstrand, auf dem auch noch ein „goldener“ Anker liegt!) benutzen. Nur sorgt dafür, dass alles am Ende so ist, wie es sein sollte.
Eine solche Groß- und Freizügigkeit gibt's eigentlich nicht! Doch! Und so steht der Fuhrpark der Freunde letztendlich am Kanal, die Drinks gibt`s an Bord, gegrillt wird auf dem Gelände; morgens Raketen-Bye-Bye vom Ufer aus.
Do., 29. Juli
Frauenaurach - Nürnberg
3 Stdn. 45 Min. Fahrzeit, 17.4 km, eine Schleuse
MYC Nürnberg, Km 65.2 LU, WT 1.8 m, Kontakt Elke: 0171 9339100
Am Mittelsteg für „Gäste“ anlegen, Waschmaschine 2€
5 km vom Zentrum, deshalb mit dem 69er Bus bis zum Gustav-Adolf-Platz und mit der U3 in die City
Fr., 30. bis Sa., 31. Juli
Freitag: Waschtag, dann Altstadtgang (#1, #2, #3): Wir verwechseln das Imperial, das mit rotem Teppich auf sich aufmerksam macht, mit dem preisgünstigen Ableger Fränk´ness; schade, hatten wir uns doch auf etwas Besonderes gefreut.
Samstag: Die 3 Österreicher-Boote, die wir von Forchheim kennen, haben anscheinend vergessen, ihr AIS einzuschalten, denn als sie morgens die Marina verlassen, kollidiert das erste fast mit einem Frachter, das zweite bremst und wird vom Sog an die Einfahrtsbegrenzung gedrückt, das dritte schaut wie wir, ohne tätig werden zu können, entsetzt zu.
Um 13 h die Fliedener Mannschaft zu Gast. Erstaunlich, dass die beiden kleinen Buben überhaupt nicht fremdeln und sich auf dem Boot absolut souverän bewegen, als wären sie dort aufgewachsen.
So., 1. August
Von Km 65 bis 120, also auf 55 km gibt es keine einzige Marina; deshalb müssen wir eine alternative Liegemöglichkeit für die Nacht finden. Wir wissen, dass auf dem Kanal blaue Schilder mit einer weißen 20 erlauben, dass man als Kleinfahrzeug in diesem Bereich übernachtet! Wir werden sehen. Schließlich:
Nürnberg - Roth
4 Stdn. 20 Min. Fahrzeit, 25 km, 3 Schleusen, alle allein, aber eine Std. Wartezeit an der Schleuse Nürnberg
Nach der Schleuse Nürnberg 2 Schwimmpollerschleusen:
Eibach mit 19.4 m Hub, 2 Schwälle, das letzte Drittel schön ruhig. Der Schleusenwärter nach der Schleusung: Das habt ihr 2 aber gut gemacht. Danke für das motivierende Lob. Tut gut nach all den Erlebnissen.
Leerstetten mit 24.6 m Hub: Obwohl zweimal belegt, zieht sich die Leine wegen der gewaltigen, reißenden Strömung, die unter dem Boot durchrauscht, im Schneckentempo los, aber wir können das Boot letztendlich mit vereinten Kräften halten.
Bei Km 90.5 LU, „Zigeuner“platz am Kanal, ehemalige Anlegestelle der Fahrgastschifffahrt
Mo., 2. August
Roth - Berching
6 Stdn. Fahrzeit, 29.5 km, 3 Schleusen
An der Schleuse Eckersmühlen, Hub 24.6 m, eine Stunde Wartezeit. Weiter: Hipoltstein, wieder 24.6 m Hub, endlich die europäische Wasserscheide: 3 Kreuze, denn von nun an geht’s auf unserer Reise nur noch talwärts
In Bachhausen, also der ersten Talschleuse und deshalb im Hirn mit Erleichterung assoziiert, geschieht genau das, was wir wissen, was nur einem Kleinfahrzeug, nicht aber der Berufsschifffahrt passieren kann, benutzt diese doch im Unterschied zu uns dicke Stahltrosse: Wir belegen mit der Fang- und zwei weiteren Sicherheitsleinen am Schwimmpoller und halten die Leinen dabei kurz, damit das Boot an der Schleusenwand nicht allzu sehr schwoit - eine Methode, die sich beim Bergauf-Schleusen bewährt hatte. Was wir nicht wissen: Schwimmpoller reagieren beim Abwärts-Schleusen mit Verzögerung. Der Wasserspiegel sinkt, aber der Poller bewegt sich keinen Millimeter nach unten……., Tom, wir hängen ……., der greift zum Beil und durchtrennt die Fangleine mit einem sauberen Hieb; 30 cm mit Rawumm nach unten. Dann setzt sich auch der Schwimmpoller in Bewegung. Gibt es eigentlich etwas, was wir NICHT erlebt haben?
Nee.
Was wir lernen: Argusaugen und (schlechte) Erfahrung (-en) brauchen Sportbootskipper und Mannschaft, wenn’s ums Schleusen geht. Dann läuft alles perfekt.
Berchinger YC, Km 120 RU, WT 2.5 m, Kontakt Hans: 0151 70178192
Die Anlage ist super gepflegt und in guten Händen, das Wetter so, dass wir meinen, es sei mitten im Sommer ein wenig Herbst.
Di., 3. August
Berching mit seinen 13 Stadtbegrenzungstürmen wenig attraktiv, denn die Hälfte der Restauration ist bankrott, die andere Hälfte macht Betriebsferien oder hat am Dienstag Ruhetag. Da aber Markt ist, kriegt man wenigstens ein Bier.
Mi., 4. August
Berching - Riedenburg
5 Stdn. Fahrzeit, wieder 29.5 km, 2 Schleusen
40 Min. Wartezeit an der Schleuse Berching. Wir schleusen dann mit dem 110 m langen Frachter „Kaspah“, der im Oberwasser von der Wasserpolizei verfolgt und schließlich vor der Schleuse Dietfurt für zwei Tage festgesetzt wird. Deshalb die zweite Schleusung allein.
YC Riedenburg, Km 149.5 RU, WT 1.6 m, Kontakt Winfrid Scheliga: 0171 7719957
200 m von der Marina entfernt liegt der idyllische Badesee St. Agatha, in dem ich abends und morgens bade - einfach himmlisch.
Wir treffen Eck und Sylvia, die wir von Kasachstan, Km 773 kennen. Sie bringen einen Kasten selbstgebrauten Biers als Gastgeschenk mit, das wir bis nach Linz hüten. Wir dinieren an Bord, sie übernachten in ihrem gelben Magirus im Wald nahe dem See, dann reisen wir individuell weiter …
Do., 5. August
Riedenburg - Kelheim
4 Stdn. 30 Min. Fahrzeit, 21 km, 2 Schleusen mit der „Ulrike“
Den MDK um 16 h geschafft und bei Km 2411 in die muntere Donau eingerauscht, die Hochwasser hat und uns mit 15 km/h talwärts drängt.
Marina Saal/Donau, Km 2411 RU, WT 2.0 m, der Steg 0 ist für Gäste reserviert; er befindet sich bei Einfahrt ganz links, Kontakt: 09441 688660
Die Marina ist kein Club und auch kein Verein, sondern ein profitorientiertes Unternehmen, weshalb es Bürozeiten gibt, die Liegeplatzgebühr doppelt so hoch ist und Sekretärinnen am Telefon sind, die die Infos zur Einfahrt in die Marina von ihren Bürostühlen aus geben. So wird aus links rechts und aus vorn hinten. Ojesses. Wenig professionell, denn der Kunde torkelt in der Marina orientierungslos herum. Eine der Damen am Telefon sagt sogar auf die Anfrage hin, wie wir einfahren sollen: Rechts oder links, je nachdem, wo Sie herkommen.
Wir kommen definitiv vom Wasser, nicht vom Land und auch nicht aus der Luft!!!
Frühabends im Riverside.
Die Reisebibel für beide Wasserstraßen ist definitiv der BINNENKARTENATLAS 12, MAIN UND MAIN-DONAU-KANAL, WASSERSTRASSEN ZWISCHEN MAINZ UND KEHLHEIM, 1. AUSGABE 2021, KARTENWERFT, FLENSBURG.