Schrauber- und Segeltraining im Sardellenparadies Schwarzmeer

Sonntag, 21 Mai 2023

In den folgenden 2 Wochen nach der Einkranung werden die To-do-Liste abgearbeitet und der Tourenplan (#1, #2) gemacht:

Die Türkei mit zwei Meerengen, dem Bosporus und den Dardanellen am Ein- und Ausgang des Marmarameeres, verbindet Europa mit bzw. trennt Europa von Asien. Die Küsten des Landes liegen am Schwarzen Meer, Marmara- und Mittelmeer. Die Dimensionen der 3 Meere könnt ihr auf der geographischen Karte und an den Flächenverhältnissen sehen: Das Schwarzmeer bedeckt eine Fläche von etwa 436.400 km², das Marmarameer von 11.350 km², die Ägäis von 214.000 km², heißt, das Schwarzmeer ist das mächtigste der drei, die Ägäis halb so flächig, das Marmarameer ein geographisches Pünktchen im Vergleich, nämlich 40mal kleiner als das Schwarzmeer. Die 30 km durch den Bosporus und 65 km durch die Dardanellen passierten in 2022 40.000 Schiffe, also täglich ca. 110, mit den kreuzenden Fähren und den Ober- und Unterströmungen eine Herausforderung für Kapitäne. Zur Entlastung der Schifffahrt initiierte Erdoğan 2011 den Bau des Istanbul-Kanals parallel zur bestehenden Wasserstraße. Baubeginn war 10 Jahre später 2021. Der Bosporus bildet für die Anrainerstaaten des Schwarzmeers Russland, Rumänien und Bulgarien eine wichtige Handelsstraße, Segler aus Rumänien und Bulgarien träumen von Kavala, Lesbos, den Dodekanes und Chania. Für sie und uns als Fahrtenskipper ist die Türkei ein Problem, denn sie hat besondere Bedingungen. In keinem Mittelmeerland gilt für Privatyachten, was seit 1992 dort Pflicht ist.

Im skipper.adac.de-Portal heißt es:

Bestimmungen/Sicherheitsausrüstung
Alle Yachten müssen mit einem Fäkalien- und Abwassertank ausgerüstet sein.

Folgende Rechnung aus dem Portal www.insidersegeln.de soll ein schlagendes Argument dafür sein:

Beliebte Bucht mit durchschnittlich 6 Yachten pro Nacht, je Yacht 5 Personen, je Person zwei Toilettenbesuche = 60 mal Shit in die Bucht. Dies auf eine Saison hochgerechnet, ergibt eine extreme Belastung. Deshalb: 1. Niemals die Tanks in Buchten oder Häfen lenzen, sondern nur auf hoher See, 2. in den Häfen keinesfalls die Toiletten benutzen, sondern nur die Einrichtungen an Land.

Ja, sehr, sehr ordentlich mitgedacht, liebe Skipperinsider. Auf dem Hintergrund, dass der ganz normale Shit vom Land ganzjährig ins Meer geht, ist so ein bisschen Saisonshit wirklich sehr „extrem“!!

Egal, wir haben weder Schwarz- noch Grauwassertank, weshalb wir nicht anlanden dürfen!! So beschließen wir, die Türkei dieses Mal mit Abstand vom Wasser aus zu genießen, also nicht einzuklarieren. Ein weiterer Grund für die Entscheidung ist, dass wir von unserer Lasterreise nach Nepal jeden Meter der türkischen Küstenlinie mit ihren einzigartigen kulturellen Highlights vom Land her kennen. Doch nicht einzuklarieren, heißt entweder zu ankern oder Tag und Nacht durchzufahren und über eine Strecke von 400 nm, entsprechend 740 km ohne Proviantierungsmöglichkeit, Strom, Wasser und Hygiene zu sein. Klar sind wir zu zweit auf den Kanälen und Flüssen die knapp 4.000 km von Plaue nach Constanța gefahren, haben aber erst 100 nm auf dem Schwarzmeer hinter uns. Segelerfahrung ist etwas anderes. So kommt im Zusammenhang mit der genannten Türkei-Widrigkeit, dem heftigen Ostwind am Schwarzmeer, der seit Monaten beständig mit 4-5 bft. bläst, mit unserem Alter und der fehlenden Segelerfahrung ein verführerischer Gedanke ins Spiel, nämlich unseren Maststellexperten und Extremsegler Arthur als dritte Hand für den Törn anzuheuern. Er hat schon unzählige Male allein Boote von Constanța in die Ägäis überführt. Wir wählen Kavala als Ziel, nicht das naheliegende Lesbos, weil wir von Thessaloniki mit einem Direktflug in zweieinhalb Stunden nach FFM kommen und in der nordgriechischen Stadt alles bekommen, was wir noch brauchen, z.B. dringend einen Segelmacher für neue Segel.

Zwischen all den Projekten der 6. Mai, Tag der bulgarischen Armee und Tag des Heiligen Georg, weshalb der 6. Mai gesetzlicher und orthodoxer Feiertag ist, der mit einer Ehrenparade in der Hauptstadt Sofia von vielen Menschen in Volkstracht gefeiert und an dem traditionell das erste Lamm (männlich und weiß) geschlachtet wird. Im Volksglauben ist der Hl. Georg Schutzpatron der Soldaten sowie der Hirten und Herden. So fügen sich Politik und Kirche wie immer perfekt zusammen. Die Rotunde des Heiligen, die wir jeden Tag in Sofia gesehen haben, befindet sich im Innenhof zwischen unserem Balkan Hotel und dem Sitz des bulgarischen Präsidenten.

Die kommenden 14 Tage genießen wir das tägliche Hafenkino mit den Kriegs- und Border-Police-Schiffen, den Fischkuttern, die täglich Tonnen von Sardinen ernten, den Aus- und Einkranungsaktionen in der Marina und einem Ausflugsboot pro Woche mit ca. 50 Touristen an Bord, die halbnackig ausfahren und frierend heimkehren. Es ist mal kühl, mal sonnig, mal regnerisch, mal windig hier Ende Mai, „English weather“, wie man an „V in the wind“ sieht und wie Krasi sagt, und daher noch längst keine Saison. Die beginnt erst Anfang Juli und endet bereits meist 6 Wochen später Mitte August, so die Info.

Schließlich die wichtigste Aktion: die tägliche Übungsfahrt in der Bucht von Sozòpol (Video), denn ich habe noch schlechte Voraussetzungen fürs gewählte Abenteuer. Also weiter Knoten üben, desgleichen Anlandemanöver bei wechselndem Wind, die Genua setzen und einziehen, mit dem Dingi klarkommen, die Winschen steuer- und backbord zügig belegen, Notfallsituationen imaginieren und -aktionen besprechen.

Die Bordküche orientiert sich am saisonalen Angebot: Es gibt Hühnerbrust mit Estragon, begleitet von grünem Salat und Erdbeeren, natürlich Sardellen, eingelegt in Essig- und Öl vom Roma-Fischer, von uns verfeinert durch frischen Knoblauch, Ziegenfrischkäse mit der hausgemachten Marmelade aus den grünen Feigen, die es nur hier gibt, aber erst Ende August/Anfang September reif sind.

So, und nun harren wir der Dinge, die da kommen.