Das Schwarze Meer

Mittwoch, 19 Oktober 2022

Das Schwarze Meer
- wahrlich kein Paradies,
für Sportbootcrews eher das Fegefeuer auf Erden

Das Schwarze Meer ist das weltgrößte Binnengewässer, das spätestens 200 Meter unter der Wasseroberfläche komplett ohne Leben, heißt steril ist, verursacht durch eine Fülle an organischen Stoffen, die Flüsse wie die Donau mit sich führen, die die Bakterien in der Übermenge aber nicht zersetzen bzw. abbauen können. So wird der Sauerstoff, Lebenselement aller Organismen, aufgebraucht, die dann sterben, faulen, verwesen. Die Überbleibsel dieses Vergehensprozesses, die Mikropartikel, trüben das Wasser ein, weshalb das Schwarze Meer auf Türkisch Kara Deniz, auf Griechisch Μαύρη Θάλασσα heißt. Die „Finsterkeit“ und Lebenssterilität des Schwarzen Meeres wird zudem begünstigt dadurch, dass das Nadelöhr Bosporus kaum Wasseraustausch zulässt. Fisch im Übermaß, nämlich Meeräsche, Makrele, Stör, Garnele, Lachs, Krabbe und Flusskrebs gibt es dagegen im Donau-Delta, wo sich die Organismusteppiche immer weiter ins Meer hinausschieben, dies fast bis mittlerweile 10 km, weshalb das Donaubuch von Haselhorst/Dittmann mahnt: Zum sicheren Freihalten von Untiefen mindestens 5 sm 122 ° ausfahren. Natürlich wachsen in Küstennähe Miesmuscheln ohne Ende. Im Old Sozòpol Bistro schmecken sie, mit Selleriekraut, Knoblauch und Karottenschnipsel serviert, einzigartig. Desgleichen gilt für die Ochsenzunge und Hühnerherzen, lediglich in Butter angebraten. Bemerkenswert bezüglich der Wasserfauna ist noch, dass wir an allen Schwarzmeerstränden auf Monsterquallen treffen, die uns den Badespaß komplett verderben. Die Rumänen und Bulgaren scheinen sie nicht zu stören, denn die Liegestühle und Sonnenschirme stehen hautnah beieinander wie früher an der Adria (Bild). Platz ist kostbar, wenn das Geschäft blüht.

Die Schwarzmeerküste ist klimatisch zweigeteilt. Das Kap Emine, das 60 m schroff aus dem Meer ragt, bildet die Scheide zwischen Nordwest- und Südwestküste und damit zwischen kontinentalen und mediterranen Wetterverhältnissen. Wir starten in Constanța und beschließen, die diesjährige Etappe nach 160 nm, entsprechend 300 km in Sozòpol zu beenden, das für sein mildes Klima im Winter, aber auch für seine schweren Herbststürme aus Nord/Nordost mit Böen bis zu 110 km/h, also 11 bft. bekannt ist. Die Stürme im Verbund mit der dringenden Säuberung des Unterschiffs für den nächsten Törn (Doch haben sich so sauschöne Korallensträuße (#1, #2) gebildet, dass man sie gar nicht entfernen mag!) sowie unsere Abgeschlagenheit (Untere Donau und Schwarzmeer haben Tom 6, mich 15.5 kg gekostet!) sind letztendlich maßgebliche Gründe für die Entscheidung, unser Boot aufs Trockendock zu legen, und zwar in die Obhut des Yachtport Sozopol.

Auf dem Marinagelände betreibt KRASIMIR PEEV (Bild) (Kontakt unter +359 899 15 49 60, Krasi spricht Englisch) mit seinem Geschäftspartner den Marina Sozòpol Service Ltd., Marine Maintenance and Repair. Krasi und sein Partner machen alles möglich von der Auskranung bis zum Trailern auf dem Landweg von der Donau oder bis zum Marmarameer bzw. zur Ägäis. Natürlich macht Krasi mit seinem Team auch die Boote winterfest und repariert, was kaputt oder beschädigt ist. Terminabsprachen sind für ihn absolut verbindlich, und er überwacht streng verantwortlich jedes Detail der im Zusammenhang mit der Auskranung stehenden Aktionen mit unendlicher Ruhe, Sorgfalt und Professionalität (#1, #2, #3, Video). Wir jedenfalls fühlen uns im Yacht Port Sozòpol und bei ihm in jeder Hinsicht bis dato absolut perfekt aufgehoben.

Eine wertvolle menschliche Begegnung haben wir in ARTHUR, der am 3. August in Port Tomis mit einem Kranexperten den Mast stellt und mit Tom zusammen die Segel setzt (Video #1, Video #2). Tom macht wegen des Leinenkuddelmuddels ein bisschen Himmelsgymnastik, die mir den Schweiß auf die Stirn treibt (Bild). Arthur ist dezent, kompetent und sympathisch, so dass wir später gegenseitig immer wieder die Gesellschaft miteinander suchen und finden. Er ist es, der mit uns nach der Maststellung abends noch am Steuer 16 nm mit brennender Zigarre in der Hand lustvoll nach Eforie Nord in die Marina Belona fährt, wo er einen Liegeplatz hat. Dort bleiben wir schließlich 19 Tage, kommen uns in den 3 Wochen weiter näher und werden schließlich vielleicht Freunde?

We were lucky, Arthur, to have met you and shared eventful days with you. Never ever we would have thought of such a motivating, visionary and inspiring human encounter on the coasts of the Black Sea. But we know that we will come together somewhere in the Mediterranean next year. Looking forward to seeing you again, whenever, wherever - in Turkey, Greece or Offenbach.

Logbuch im Detail

Do., 28.7.
Cernavoda - Constanța, Ankunft in Port Tomis mit seinen gewaltigen Wellenbrechern um 21 h, also kurz vor Einbruch der Dunkelheit: Dusche und WC, kein Strom, keine Liegegebühren für die 6 Tage dort. Wir dürfen deshalb so lang bleiben, weil wir nach dem Wochenende einen Meister im Mast-Stellen über die Hafenadministration geordert haben.
Die Altstadt von Constanța - wow: (#1, #2, #3, #4)

Mi., 3.8.
Während Arthur und Tom den Mast stellen, erscheint ein Taucher, der für den Schweizer Josef mit seinem Kat, der neben uns in Ruse lag und auch jetzt neben uns angelegt hat, arbeitet. Der vergisst, die Handbremse in seinem Auto anzuziehen, was fast in einem Beschädigungsdesaster für Bug und Heck beider Boote endet. Unser Baum, der wegen der Maststell-Aktionen an Land liegt, stoppt aber das Auto und verhindert, dass es zwischen den beiden Booten ins Wasser donnert.
Dann Eforie Nord, Marina Belona, Liegegebühr 300 € für einen Monat, also für uns 16 € pro Tag, Duschen und WCs, kein Klopapier, wird immer geklaut!
Einen Tag vor unserer Ankunft hier entschärfen sie eine Mine, die von Odessa angetrieben wurde. Hat man Kontakt mit ihr, gleichgültig ob Frachter oder Sportboot, ist man weg vom Fenster. Deshalb wird Arthur nervös, als er ein schwarzes Teil im Meer treiben sieht. Ist aber nur ein Müllsack.

Do., 4.8.
In Eforie ist der PROFI Supermarkt die Proviantierungsnummereins. Er hat alles, was man braucht, nur kein Rind, weil die Rumänen fleischmäßig nur Schwein und Huhn essen. Letzteres ist jedoch so schmackhaft, dass es uns richtig auffällt. Mindestens 20 Jahre haben wir ein solches Huhnaroma nicht mehr auf unseren Zungen gehabt.
Nur ca. 7 km von der Marina entfernt liegt der Techirghiol-See, wo man sich im sogenannten Schwarzen Gold, dem Heilschlamm, der rheumatische Beschwerden heilt, suhlen kann. Wir sehen vom Faulschlammerlebnis ab, weil wir Ähnliches vom Toten Meer und von Neuseeland kennen. Man riecht 3 bis 4 Tage streng nach Schwefel, die Polster des Gefährts wochenlang.

Fr., 5.8.
Ich fliege mit Turkish Airlines von Constanța nach Istanbul und von dort nach FFM;
daheim bis zum 16., also 11 Tage; Tom bleibt vor Ort in Eforie und schafft alle technischen und informatorischen Prämissen für eine sichere Weiterfahrt.

Mi., 17.8.
Flug von FFM nach Bukarest; dann mit dem Shuttlezug 20 Minuten zum Gara de Nord, der Endhaltestelle, von dort 2 Stunden mit dem Expresszug ohne Zwischenstopp nach Constanța, schließlich mit dem Taxi zur Marina; Kosten 180 LEI, entsprechend 36 €

Do., 18. bis So., 21.8.
Hafenleben bis tief in die Nacht mit und auf Party-Disco-Booten neben uns, auf denen Alkohol und Drogen bis zum Abwinken konsumiert werden, letztere vor Anker nach Ausfahrt aus der Marina Richtung Constanța. Der Bullenbesuch frühstmorgens lässt keinen Zweifel, und die abgefuckten Gäste sind sichtlich nervös.
Arthur und Tom mit dem Auto nach Mangalia zur „Vorerkundung“ der Marina und Proviantierungsfahrt nach Constanța.

Mo., 22.8.
3-stündige Testausfahrt aufs Schwarzmeer mit Kalibrierung der Raymarine-Geräte

Di., 23.8./Mi., 24.8.
Am Dienstag um 13 h los nach Mangalia, nachdem wir mit Arthur gefrühstückt haben: 16 nm, Ankunft 18 h, Ausklarierung Rumänien. Auf der Fahrt kleiner Finger meiner rechten Hand zwischen Schlitten und Stopper festgeklemmt; zur Rettung des Fingerglieds Patenthalse, im Verlauf derer die Macht des Windes den Schlitten der Großschot komplett wegfegt; deshalb und aufgrund des Notfalls Verlängerung um einen weiteren Tag; keine Sanitären, keine Liegekosten. Anderntags kommt Arthur nach Mangalia und arretiert den Schlitten fachmännisch und für die Crew risikofrei und gefahrlos einfach mittig. Ja, so ist’s gut, weil kein handwerklich vorübergehendes Gelump. Muss man nicht haben auf unbekanntem Terrain und weltpolitisch unsicheren, gefährlichen Wasserwegen.

Auffällig: Die neue weibliche Gesichtsästhetik, nämlich bewusst hoch aufgeduttetes Haar, begleitet von falschen Megawimpern und aufgespritzten Botoxlippen ist definitiv im Osten (Serbien, Rumänien, Bulgarien) angekommen.

Do., 25.8./Fr., 26.8.
Mangalia - Balchik, 42 nm, 10-stündiger Wellenritt mit 4-m-Kämmen (Video); angstfrei die Crew und voller „Eforie“ fürs Hoch und Runter
84 LEI für 2 Tage, also pro Tag 8.50 €, Einklarierung nach Bulgarien, keine Sanitären, Nackigduschen am Steg
Erkundung der schönen Stadt, die vor hohen Kalkfelsen liegt (#1, #2, #3, #4).

Sa., 27.8./So., 28.8./Mo., 29.8.
Balchik - Port Varna, Kopfposition neben der „alten“ Varna, weg vom Hype, 30 nm, 66 LEI, also 11 € pro Nacht, Duschen und Klos
Auf der Fahrt nach Varna Groß und Genua gesetzt und wieder eingeholt, Wende und Halse gefahren, 2x angelandet.
In Varna warten Kriegsschiffe auf ihren Einsatz; hier lotsen mindestens 3 Pilotboats Ozeanriesen hinein in den und hinaus aus dem Hafen; die Stadt schlicht und ergreifend einfach städtisch (#1, #2).

Di. 30.8.
Varna - Nesebar, 42 nm, 8 Stunden 30 Minuten, 40 LEI, Sanitäre vorhanden
Die Tour: die Großschifffahrt ist omnipräsent, Gegeige mit gesetzten Segeln, die aufgrund der Windlage immer wieder zusammenfallen, dann Einholung, schließlich unter Motor Geschiebe von NO in die Marina. Wir liegen ganz, ganz abseits im Yacht-, nicht Jet-Port, zu diesem Zeitpunkt bereits ohne Nachbarn und Hafenleben.
Die Stadt ist ein einziger Touristen-Hotspot, Freilichtmuseum und UNESCO- Weltkulturerbe; demgemäß ist das Personal der Straßenbuden stocksig, wenn es um anderes geht als das Geschäft. Und ich bin leider vor den Bussen in der Stadt, was mich als Kommunikationspartner per se auskickt. Aber der Liegeplatz ist grandios (#1, #2), und die byzantinischen Bädermauern sind menschenleer wahrhaft sensationell.

Am 30. und 31. Funkwarnung:

Sécurité! Sécurité! Sécurité! All ships!
Naval operations disturb the harmony of the Black Sea.
Please, when you observe any strange, unusual operations contact…

Kanal 16 berichtet, dass die türkische Navy vor Bourgas liegt, wo wir hin wollen. Kriegsberichterstattung von vor Ort, wie Admin Uli konstatiert.

Mi., 31.8.
Nesebar - Sozòpol, 15 nm, 4 Stunden, schwere Dünung, Liegeplatz am Steg A neben der „Trophy“; nahe der Rezeption moderne Duschen und Klos, mit einem Magnetchip zu betreten, den man eigentlich an der Rezeption erhält, wir nicht, denn die Rezeptionistin ist uns nicht wohlgesonnen

Do., 1.9. bis So., 4.9.
Organisation …
Trockendockplatz für 8 Monate für Boote von 10 bis 12 m = 1.650 €,
Laundry „Spartak“, 3 Maschinen, 50 LEI, Taxi dorthin zur Ul. Odesa 2 und zurück, 20 LEI mit zuverlässlichem Taxi-Service, Kontakt: + 359 895312119,
Handynummer vom Bub, der Englisch spricht und uns nachts um 3 h in 40 Minuten zum Flughafen Bourgas bringt, + 359 899154960
… sowie Altstadt- und Stadtküstenerkundung mit Fangflotte.

Mo., 5.9.
Am Abend steht das Boot ausgekrant, hochgebockt, pieksauber und winterfest gemacht über den Stegen der Marina; einzig sichtbare Schramme am Bug von der Eisenkette des Zollpontos in Svishtov.

Di., 6.9.
Unification Day: alles steht still; war uns in der Tragweite für unsere Planung nicht bewusst; wir schlagen die Rollgenua ab und verstauen sie, ziehen die Plastikplane übers Deck, packen zusammen und richten alles zur Abreise

Mi 7.9.
Umzug ins Hotel

Do., 8.9.
Von Bourgas 3-stündiger Direktflug mit WIZZ-Air nach Dortmund, dann mit der Bahn in 8 Stunden !!! von Dortmund nach Offenbach

Schön, daheim zu sein, mehr Raum als nötig zu haben, die Menschen wiederzutreffen, die uns wichtig sind, nicht Spitz auf Knopf zu planen, zu entspannen, anstatt mental und körperlich aufzurüsten.

Aber wir bleiben prinzipiell unruhig, und die Vision steht nach wie vor: Bosporus - Istanbul - Nordküste des Marmarameers - Dardanellen, griechische Inseln.

Wir
GLAUBEN!!! fest daran, dass wir in unserem Vorhaben nicht scheitern werden, weder planerisch noch existentiell,
WISSEN!!!, dass Materie vergeht und wir nicht Herr über sie sind und
HOFFEN!!! wie immer auf’s Wahr-werden unseres Wollens.