Coronatour in Rhein-Main

Samstag, 10 Oktober 2020

9. bis 23. September 2020

Bildergalerie

Infos für Sportbootskipper:

  • den Main hinab:
    • Mainkur - Mainz/Zollhafen: Hafenmeister Herr Höhne, 0151 125 49 602, 24 € mit Strom, Wasser und Dusche
      52 km, 4 Schleusen, 6 Stunden
  • den Rhein hinauf:
    • Mainz - Oppenheim/ACON: Hafenmeister Herr Hähn, 0176 735 80 702, 1 € pro Bootsmeter, Dusche auch 1 € für 5 Minuten, nur zwei Kopfstege für Boote über 10 Meter
      22 km, schleusenfrei, 4 Stunden, Durchschnittsgeschwindigkeit 5,1 km/h
    • Oppenheim - Worms/Zollhafen: Hafenmeister Herr Engst, 0173 3409558, 1.50 € pro Bootsmeter einschließlich Strom, Dusche 1 €
      39 km, 7 Stunden, schleusenfrei, Durchschnittsgeschwindigkeit 5 km/h um Worms herum flotte Strömung, die unsere Marschgeschwindigkeit zuweilen auf 3,4 km/h reduziert
    • Worms - Speyer/MBCS: 0152 34032537, mit Anmeldung und täglich wechselndem Code, 20 € mit allem
      44 km, schleusenfrei, 8,5 Stunden, Durchschnittsgeschwindigkeit 5,3 km/h, 38 Berufsschifffahrtsbegegnungen

    Bei KM 28,6 der Neckareinmündung, Fahrwasserwechsel statt geregelter Backbord-backbord-Begegnung. Auf der Strecke zwei grenzwertige Begegnungen mit Blaue-Tafel-Nutzern, die uns richtig Druck machen, einer, weil er sich nicht an die Regeln hält, ein anderer, weil er uns aus der Fahrrinne drängen will, wir aber nicht gehen und er deshalb so nah an uns vorbeifährt, dass wir mächtig angesogen werden. Wie man auch von anderen Sportbootskippern hört, wird die Tafel zuweilen von Fluss“rowdys“ ausgefahren, um ungehindert durchdreschen, also z.B. beim Überholen eines Kleinfahrzeugs ohne jede Kurskorrektur durchbrettern zu können.

    Exkurs
    Die Blaue Tafel mit weißem Blinklicht in der Binnenschifffahrt

    Auf der Steuerbordseite des Ruderhauses angebracht, dient sie zur Vermeidung von gefährlichen Annäherungen und Kollisionen, ist also eine Art Verkehrsschild, das Ausweich- und Kollisionsverhütungsregeln im Umgang der Fahrzeuge miteinander ankündigt bzw. in Kraft setzt.

    Schiff mit blauer Tafel

    Berufsschiffer setzen die Blaue Tafel, wenn die Fahrrinne Windungen macht, um so kenntlich zu machen, ob sie die Innenkurve nehmen wollen, um Strecke, Zeit und Treibstoff zu sparen, oder die Außenkurve, weil sie schwer beladen sind und z.B. bei Niedrigwasser die größere Wassertiefe brauchen. Dabei ist es immer der Bergfahrer, der den Kurs angibt, der Talfahrer hat zu folgen. Soll der Talfahrer backbord passieren, wird keine Tafel ausgefahren. Soll er steuerbord vorbeifahren, wenn also quasi Linksverkehr gewollt ist, wird die Tafel gesetzt. Der Talfahrer muss dann die steuerbordseitige Begegnung bestätigen, indem er auch die Tafel zeigt. Ein Sportboot außerhalb der Fahrrinne kann die Blaue Tafel ignorieren. Fährt es aber in der Fahrrinne, sollte es den Wechsel der Berufsschifffahrt mitvollziehen; andernfalls kann es durch den Sog des Berufsschiffes in große Gefahr geraten, denn die Großschifffahrt kann nicht bremsen.

  • den Rhein hinab
    Speyer - Worms, 50 km einschließlich Reffental-Einfahrt in 4,2 Stunden.
    Wir sind also doppelt so schnell wie bergauf, „fliegen“ geradezu den Rhein hinab, nämlich mit 10,5 km/h. Im Wormser Floßhafen stecken wir morgens im Schlick fest. Hatten am Abend und in der Nacht Knarrgeräusche vom Ruder gehört, wollten aber gar nicht recht wissen, wovon verursacht. Natürlich war eine Woche vergangen, seit wir hier waren, und der Wasserpegel noch einmal erheblich gesunken. Deshalb leider keine Handbreit Wasser mehr unterm Kiel. Zu fünft bewegen wir die „Akina“ schließlich wieder ins Fahrwasser.

    Worms - Oppenheim, 38 km in 3,7 Stunden

    Oppenheim - Mainz, 20 km in 2,2 Stunden

    Mainz - Offenbach/Mainkur, 50 km in 8,3 Stunden mit 4 Schleusen den Main hinauf


Auf der Reise machen wir erstmalig die Erfahrung, dass man nicht mehr einfach davon ausgehen kann, einen Gastliegeplatz in einer Marina zu bekommen, denn immer mehr Sportbootler sind unterwegs, die jede Schönwetterperiode für Bootsausflüge nutzen, noch einmal mehr in Coronazeiten. So gibt es Engpässe für Gastlieger, was für uns bedeutet, dass wir den Liegeplatz vorab reservieren müssen. Doch lässt sich ein Teil der Hafenmeister nicht darauf ein, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass man sich zwar anmeldet, aber ohne jede Benachrichtigung einfach wegbleibt. Zudem passen wir mit der Länge (10,70 m) und Breite (3,65 m) unseres Bootes nicht in jede Box, und der Tiefgang von 1,20 m ist in den letzten 3 regenarmen Sommern eine Einschränkung gewesen, die uns vorher nicht präsent war.

Wir bemerken auch, dass es an und auf den Flüssen weniger beschaulich zugeht als früher, wollen doch die jungen begüterten Burschen und Mädels von Freitagnachmittag bis Sonntagabend ein wenig Spaß haben, entweder als Jetski-Düser mit Eier- und Hirn-Bumping oder als Halbgleiter-Raser, die´s dem Kumpel und der Tuss ´mal richtig zeigen. Die Tanke ist deshalb ein immer stärker frequentierter Ort, und Kreditkarten werden ja nicht nass.

Nachhaltige Erlebnis-Highlights:

  • der Spundekäs mit Brezel und Weißweinschorle morgens in der Strandbar der Bastion von Schönborn in Mainz-Kastel (s. Fotos in der Bildergalerie) und ein Aperol Spritz bei sinkender Sonne in der Turmschänke Caponniere in Mainz

In Oppenheim:

  • die Berliner-Luft-Torte mit Stachelbeeren im Altstadt Café; die beiden Frauen backen alle Kuchen selbst, auch Brot und Brötchen und bereiten hauseigene Flammkuchen
  • die einstündige Führung durchs Kellerlabyrinth:
    Die tausendjährigen Gewölbe dienten zunächst als Warenlager (Oppenheim war einmal Handelsdrehkreuz), später als Mülldeponie und bei kriegerischen Auseinandersetzungen als Versteck. Dann geriet die „Unterstadt“ in Vergessenheit bis zum November 1986, als eine Anwohnerin die Polizei verständigte, weil sie unter ihrem Haus merkwürdige Geräusche höre. Eine Streife wollte die Frau aufsuchen, doch sackte das Polizeiauto mitsamt der Beamten quasi in Zeitlupe ab, wie das Foto dokumentiert. Auf diese Weise wurden die Keller und Gänge wiederentdeckt. Andere Zwischenfälle waren, dass bei der Erneuerung des Kirchplatzes der Presslufthammer eines Bauarbeiters verschwand und immer wieder Straßenteile in die „Stadt unter der Stadt“ einbrachen.
    In Coronazeiten sind natürlich bei der Begehung des Kellerlabyrinths Maske, Kopfhäubchen und Schutzhelm Pflicht und lediglich 10 Besucher statt 20 erlaubt.
  • die Ruine Burg Landskron

In Speyer:

  • die gesamte Altstadt
  • Der Angelhofer Altrhein ist eine Empfehlung. Und da wir Lust auf Bewegung, Baden und Chillen haben, mieten wir bei VRNnextbike ein Fahrrad, um dort hinzukommen. Es kostet je angefangene Stunde 1, schließlich 11 €. Doch wird die Radtour eher ein Lowlight, weil weder das Wasser und der Strand zum Baden einladen noch die feindlich-abgeschottete Bürgerghettomentalität. Eine, die wir fragen, wie wir ans Wasser kommen, leitet uns absichtlich falsch. Wir finden aber dennoch den Weg zum Wasser, wo wir auf die Blockwartpräsenz zweier „Tupperware-Anrainer“ treffen, die nur feindselig glotzen und Bier saufen. Hätte mich am liebsten nackig gemacht, um sie zu provozieren. War mir aber zu aufwändig, so dass wir bald gingen. Wir machen auf dem Rückweg von Speyer nach Worms mit dem Boot einen zweiten Versuch der Annäherung ans hoch gelobte Revier, doch auch da holt uns der Spot in keiner Weise ab.

Empfehlungen für Genießer

  • in Oppenheim die „Alten-Rebe-Weine“ der Weingüter Dr. Heyden und Dr. Dahlem, die auf dem Marktplatz ihr Sortiment auch zum Verkauf anbieten, und das Burgrestaurant Landskrone, das wundervolles Angus-Rind-Carpaccio anbietet
  • in Worms der morgendliche Eiskaffee mit italienischem Mandelgebäck im L´Arte del Caffè sowie die drei Paesto-Dips und Gemüsesticks mit Oliven-Zitronensauce mittags im Ristorante Tivoli
  • in Speyer die Fleischboutique, wo man Schwarzfederhuhnschenkel, Entrecôte und Koteletts vom Iberico Schwein proviantieren kann, die Kürbiskern- und Sylter Fischsuppe im Ratskeller, die Schweinebäckchen in Dornfeldersoße sowie die Fleischklopse aus dreierlei Fleisch, nämlich Schwein, Kalb und Rind mit Parmesantop, Sahnemeerrettich und Kartoffelbrei, garniert mit kalt geschlagenen Preiselbeeren im Restaurant Petersilie, beide Speisen auf Empfehlung des Hauses begleitet von einem einzigartigen Wein, dem Dürkheimer Fronhof Riesling

Geschichten
Der Kellner auf dem Oppenheimer Marktplatz ist´s leid mit der Plexiglasmaske und hat sich deshalb ein exotisches Baumwolltuch vor Mund und Nase gebunden. Zurück am Tisch kommentiert er die fragenden Blicke der Gäste mit der Entgegnung: „Sie müssen mich gar nicht so anschauen. Ich bin immer noch derselbe wie eben, hab´ mich nur umgezogen.“
Unser Führer durchs Kellerlabyrinth, gebürtiger Italiener, erklärt, weshalb seine Landsleute so klein sind. Seine Mutter habe immer gesagt: „Iss, Bub, damit du groß wirst und arbeiten kannst.“ Er weiß auch, warum die Pfälzer so viel trinken: Das Wasser sei früher so schlecht gewesen, dass man es zur Desinfektion mit Hopfen versetzt habe. Deshalb sei der Pfälzer von der Wiege bis zur Bahre mit Alkohol in Kontakt gewesen und so ans Trinken gewöhnt. Ob´s bereits genetisch sei, wisse er nicht. Er vermute, dass auch die Bierdeckelstriche ihren Ursprung in der Pfalz haben, denn nur auf diese Weise konnte der Wirt den Getränkekonsum des Gastes „beurkunden“. Wer hätte auch schon einen Überblick über so viele Schoppen die stündlich über den Tresen laufen. In Coronazeiten gibt es erst den Gäste-Registrierzettel, dann die Getränke- und Speisekarte, auf der man seine Order dokumentieren kann. Wir haben tatsächlich keinen Zweiertisch erlebt, der im Zeitraum von 1,5 Stunden nicht 1,5 l verdünnten Alkohol p.p. getrunken hat. Weinschorle gibt´s in Rot, Rosé oder Weiß.
Im Alten Ruderhaus in Worms, wo man wunderschön sitzt, fragt die Kellnerin den 2-jährigen Sohn eines jungen Paares, ob´s ihm denn geschmeckt habe. Der kleine Kerl schaut sie nur an: „Häää?“ Drauf der Vater: „Sach halt was, Bub!“ Zur Frau: „Der hat rein gar nix verstanden.“ Die Frau angepisst zurück: „Der hat sehr wohl verstanden; er will nur nicht antworten. Du unterschätzt den.“ ´s ist wahr, denn der Bub sagt gleich drauf zu mir: „Ein Schuh ist nicht da.“ „Stimmt“, meine Antwort. Und der Bub lacht sich kaputt ob der gelungenen Konversation. Ich auch, denn ich hatte tatsächlich, auf einer Hochbank sitzend, mich von einem Schuh befreit, um dem Fuß Luft zu geben.
In der Speyerer Altstadt entdecken wir dieses Schild vor dem Schießer-Outlet: Klick!
Unser Blogadmin Uli kommentiert die Tafel so: „Was, schon wieder en Jahr rum?“
Jooo, mehr gibt´s angesichts der brillanten Sprachkompetenz der Pfälzer nichts zu sagen.

Facts and Figures

  • 315 km sind wir den Main und den Rhein bergauf und bergab gefahren
  • 40 Stunden lief der Motor
  • 1,4 l Diesel in der Stunde hat er verbraucht
  • 8 x haben wir geschleust
  • 18 € pro Nacht Liegegebühr Ø bezahlt
  • 28 ° als Tagesdurchschnittstemperatur genossen
  • 15 Tage waren wir an Bord