Bundeswasserstraße Neckar #3

Donnerstag, 9 Mai 2019

Exkurs: Alles klar zur Schleusung?
Vor dem Losfahren die Telefonnummern der Schleusen heraussuchen und den Handy-Kontakten hinzufügen, damit man sie buchstäblich zur Hand hat, dann Hub bzw. Fallhöhe recherchieren, zudem Länge und Breite der Kammern, damit man eine Vorstellung hat, wieviele Fahrzeuge hineinpassen (Länge und Breite der Frachter sind an den Seiten immer angegeben),
nach dem Losfahren Fender an beiden Seiten auf die Höhe der Rumpfleiste platzieren, eine Leine backbord, eine steuerbord durch den Fockholepunkt ziehen, damit man je nach Notwendigkeit anlegen und schleusen kann, Leine aufschießen, Bootshaken auf beiden Seiten bereit legen,
für die Schleusung Schleuse anrufen oder anfunken (UKW-Kanal steht am Ufer angeschrieben), in die Kammer langsamst einfahren, bei möglichst paralleler Position zur Kammerwand stoppen, mit dem Bootshaken Pick an der Treppe, schnell am Poller belegen, das Boot austarieren, kontrolliert fieren, heißt mit dem Bootshaken umgreifen und die Leine umlegen - dies niemals gleichzeitig, sonst ist das Boot frei, am Ende des Schleusvorgangs niemals losmachen, bevor der Skipper nicht am Steuer ist und die Ampel grün zeigt, Leine einholen und schließlich dem Boot mit dem Haken einen Kick versetzen, damit man ohne Schrammen ausfahren kann.
Geschafft!

Schwierigkeit für Sportboote: Die alten Spundwandnischen lassen die dicksten Fender einfach verschwinden, sodass sich der Bootsrumpf leicht tiefe Kratzer holt. Für unsereinen sind glatte Zementwände in den Kammern während des Schleusvorgangs eine große Erleichterung. Fotostrecke „Schleuse Feudenheim“: #1, #2, #3, #4

Tag 17, Fr, 3.5.
10.45 h Eberbach ab, HD um 16.15 h an
An der Schleuse Heidelberg: „Macht erschtemal am Startplatz hinnerm DLRG fest. Die Kammer kommt. Fahrt deene dann eenfach nach, wenn´s grün isch.“
Fotostrecke „Vom Fluss aus gesehen“: Gundelsheim, Hassmersheim, die Vierburgenstadt Neckarzimmern, Neckarsteinach, Neckargemünd

Tag 18, Sa, 4.5.
wieder in Heidelberg: Reinigung des Separfilters, Entlüftung der Heizungspumpe, „Haus“arbeit auf dem Boot, Blogschreiberei

Tag 19, So, 5.5.
11.30 h HD ab, Worms um 16 h an
Es ist saukalt an Bord, weil Nordwind. Wir sind durchgefroren und fröstelig.
Unser IT-Uli dagegen ist in Speyer und whatsappt: „Gerade aus Dampfbad und Sauna mit Pfefferminzaufguss gekommen. Nicht kalt.“
Grrreeeeen with envy, Uli.

Tag 20, Mo, 6.5.
10.15 h Worms ab, Mainz um 15.45 h an
Fliegen quasi mit bis zu 16.5 km/h über den Rhein und wollen heim.

Tag 21, Di, 7.5.
9.15 h Mainz ab, Mainkur um 17.15 h an
Wir bleiben an Bord und feiern mit 2 Dry-Aged-Entrecôtes und Zwiebelgemüse unser Ankommen. Lebenshöhepunkte müssen moderiert werden, sonst werden es keine. Tom fährt noch mit dem Klappfahrrad nach OF, um den SUV zu holen, denn morgen soll es regnen.

Tag 22, Mi, 8.5.
Milchkaffee und Phubbing im Salon, draußen Nieselregen - einzigartig!
Dann für 2 € mit der Fähre über den Main zum Schloss Philippsruhe - Provianttransfer vom Boot in die Ludwigstraße.

Bemerkenswertes:
Der Neckar ist nicht der Rhein, ersterer ist 6 bis 7, letzterer nur 3 bis 5 Meter tief.

Der Neckar ist nicht der Main, denn die Mainschleusen sind 365 Tage rund um die Uhr offen, die Neckarschleusen haben Betriebsstunden (werktags von 6-22 h, sonntags von 8-16 h), sind am Oster- und Pfingstsonntag und -montag, an den beiden Weihnachtsfeiertagen, am Karfreitag und 1. Mai, an Christi Himmelfahrt und Fronleichnam geschlossen. Es ist 15.30 h, als wir uns der Schleuse Hirschhorn, den Neckar hinauf nähern. „Fahrt halt schnell in die Kammer ein. Ich mach´ euch grün“, bekommen wir gesagt. Tun wir schleunigst, denn Eberbach ist das anvisierte Ziel, die Einschränkung uns zwar nicht neu, aber entfallen.
Noch einen Unterschied gibt es zwischen den beiden Flüssen: Der Main fließt durch eine aufgeregte, moderne Region, der Neckar durch eine beschaulich-ländliche. Heidelberg ist beruflicher und kultureller Orientierungspunkt, die Landflucht in den Kleinstädten spürbar an den vielen aufgegebenen Einzelhandelsgeschäften, den altbackenen Läden im 50er-Jahre-Interieur und den zum Verkauf stehenden Immobilien. Uns erinnern die Städtchen jedenfalls an unsere Bootsüberführungstour durch den deutschen Osten im letzten Jahr. Der Neckar ist auch nicht der Main, weil er eher - wie früher die Nidda - unangenehm riecht und beim Schleusenvorgang wie eine Waschmittellauge schäumt.

Den Funk während der Fahrt abzuhören, ist hilfreich und interessant, weil die Wasserstände aktualisiert (wichtig für das Befahren von Altarmen der Flüsse wegen der Wassertiefe, die sich aus dem jeweiligen Pegelstand und plus oder minus Altarmtiefe ergibt), Einschränkungen durch Events wie „Rhein in Flammen“ bekannt gegeben werden und man die Kommunikation zwischen Schleusenwärtern und Kapitänen mitverfolgen kann.

In Absprache mit den Schleusenwärtern kann man an den „Startplätzen“ der Schleusen wenn es nicht anders geht, „wild“ liegen. So gibt es auf dem Neckar und dem Main, nicht aber auf dem Rhein überall potentielle bzw. Not-Liegeplätze. Öffentliche, die es im deutschen Osten überall hat, sind auf den westlichen Flüssen rar. In der Kommunikation mit den Schleusenwärtern sind bestimmte nautische Begriffe unerlässlich: „Backbord, steuerbord, wasserseitig, landseitig“. Deshalb auch in der individuellen Kommunikation „links“ und „rechts“ durch die entsprechenden nautischen Begriffe ersetzen. Dann braucht man nicht mehr zu überlegen.

Schlechter Ruf: Es ist nicht das erste Mal, dass sich mit der Berufsschifffahrt befasste Menschen herablassend über Sportschiffer äußern. Einer sagt frei heraus über unsereinen: „Die verstehe nix, wisse nix und könne nix.“ Naja, in dem Urteil mag schon ein Fünkchen Wahrheit stecken, aber wir sind ja auch keine Professionellen mit jahre- oder gar jahrzehntelanger Erfahrung auf den Bundeswasserstraßen.

Die badische, also „Ländle“-Küche mit Flädlesuppe, Spätzle, Maultäschle und Schäufele ist nicht gerade unser Ding. Wir bevorzugen eher leichte feine Speisen.

Unsere dickbäuchige „Akina“ ist beim Anlanden sehr sensibel, was Strömung und Wind angeht, im Verkehr mit der Berufsschifffahrt jedoch absolut souverän, denn sie wiegt sich im Schwell und Sog galant wie ein richtiges Segelschiff. Schenkt man ihr nicht jede einzelne Sekunde Aufmerksamkeit, ist sie ratzfatz weg oder da, mit dem Bug gleichermaßen wie mit dem Heck. Sie läuft dann aus dem Ruder. Der Rhein, der wilde Kerl, hat sie durch seine starke Strömung und die kurzen Wellentäler, die manche Frachter, wenn sie rasen, durch ihre Bugwelle produzieren, zweimal ganz schön durchgeschüttelt und so gedotzt, dass sie am Bug ganz weiß war vor Gischt.

Manche schwören aufs AIS, ich gehe bei Ausfahrt aus einer Marina gern vor zum Ausguck, schaue, ob ein Fahrzeug kommt, und melde das Gesehene zurück zu Tom.
Kanal 10, der Binnenschifffahrtsfunkkanal, ist eigentlich ein Notkanal, den sowohl die Feuerwehr, die DLRG, die Polizei und die WSP abhören. Der mit seinem Dicken, den wir im Wormser Floßhafen treffen, nutzt den Kanal nach eigener Aussage als Anzeigemöglichkeit, „wenn mich einer hippe lässt, schneit oder sonstwie ärchert. Dann komme die (die Polizei) einfach emal vorbei, gehe an Bord un gucke, ob alles korrekt is. Da hamm die (dieses Mal die, die ihn in seiner Allmacht beschränken) Angst devor, weil se net weiterkönne (weeche de Ruhezeite weißde) oder Fahrverbot krigge“. Wir finden den Menschen unerträglich.

Toll! Einige Clubs und Vereine haben sich unter dem Logo „Freunde des Wassers“ zusammengetan, um Liegeplatzinhabern die Möglichkeit zu geben, in anderen Marinas 3 Tage kostenlos anzulegen. Das geht so: Wenn ein Mieter fortfährt, informiert er den Hafenmeister über die Dauer seiner Abwesenheit. Dieser „blockt“ dann den Platz für Liegeplatzinhaber aus den anderen Marinas, die bei dem Projekt mitmachen - von großem Vorteil zur Hochsaison, in der es oft eng wird. Auch wieder der im Wormser Floßhafen: „E paar Taach vorher anmelde, früh losfahre, früh ankomme - dann klappt die Reiserei.“ Was tut der Mensch eigentlich, wenn ihm etwas Außergewöhnliches „dazwischenfährt“? Darf und wird anscheinend nicht sein.

Evaluation:
Das Bootsabenteuer hat uns alles gekostet und alles gegeben, hat wieder einmal wie so oft auf unseren Reisen unauslöschbare Gravuren in Körper und Geist hinterlassen.
Wir haben viel er-fahren und viel gelernt auf der dreiwöchigen Schleusenexerzierfahrt. Doch muss das Rückwärtsfahren definitiv noch geübt werden.
16 Tage war es Sommer, 5 Tage garstig, die Stimmung mal euphorisch, mal angespannt, die Heizung jeden Abend in Gang, die Ambiente-Beleuchtung im Salon so weich wie das Sonnenlicht.
Start und Ziel waren hochemotional, die Alte Schleuse Mainkur jedesmal ein magischer Ruhepunkt.
64 Stunden lief der Motor, hat ca. 100 l Diesel verbraucht, also weniger als 2 l/h.