Bundeswasserstraße Neckar #2
Tag 7, Di, 23.4.2019
10 h Worms ab, auf dem Rhein bis KM 428
Der Rhein strömt uns auf allen 70 km mit Macht entgegen und verlangsamt unsere Marschgeschwindigkeit auf Schritttempo, also auf 4 bis 5 Stundenkilometer.
Dann bei KM 428 die Einmündung in den Neckar. Vor der Schleuse Feudenheim eineinhalb Stunden Warterei aufgrund des Staus, der durch die Schließung der Schleuse über die Osterfeiertage entstanden ist, aufgrund des immensen Hubs von 10 m, weshalb jede Berg- bzw. Talschleusung ca. 30 Minuten benötigt, und aufgrund der Bauarbeiten in der zweiten Schleusenkammer, die deshalb nicht zur Verfügung steht. In der Schleuse Schwabenheim verlieren wir aufgrund des heftigen Flutstrudels durch das einströmende Wasser fast die Gewalt über unser Boot. Resultat: Zitterknie und die Lehre: bergauf möglichst hinten, bergab möglichst vorn schleusen. Einer, den wir auf der Rückfahrt im Wormser Floßhafen treffen, kommentiert das mitgeteilte Erlebnis wie folgt: „So …, hat´r euch also tanze lasse. Der (der Schleusenwärter ist gemeint) is bekannt dafür, dass´r en Brass auf die Sportbootschiffer hat, weil alle (Schleusenwärter wie Berufsschiffer sind gemeint) arbeite müsse, nur die net.“
Liegeplatz: Heidelberg, MBC, bei KM 23.9, an 18.30 h
= 15 + 24, also 39 km, 2 Schleusen
Tag 8-11, Mi-Sa, 24.- 27.4.2019, Heidelberg
Ein Mädel aus der dem Liegeplatz nahegelegenen Psychiatrie will sich im Neckar ersäufen, deshalb großes Kino mit Stadt- und Wasserschutzpolizei. Danach zu Fuß am Neckar entlang bis zur Theodor-Heuss-Brücke, vorbei am Marktplatz mit der Heiliggeistkirche und am Kornmarkt, mit der Seilbahn hinauf ins Renaissance-Sandstein-Schloss mit dem Friedrichsbau, Wahrzeichen der Macht der pfälzischen Kurfürsten und Magnet für eine Millionen Besucher im Jahr, von dort überwältigender Blick hinab auf die Stadt und den Neckar; abends Wetterwechsel: Temperatursturz von 27 auf 16°. Tommy Tailor besucht uns auf dem Boot. Es wird eine lange exzessive Barnacht in der Heidelberger Altstadt. Oje.
Anderntags auf dem Philosophenweg entlang der früheren Weinberge, die nun parzellierter Privatgrund sind. Einfach schön der beständige Blick von oben hinab; aber gleichgültig, wo man sich befindet, das Schloss leuchtet nie, ist nicht fotografierbar, weil nördlich ausgerichtet. Da alles so mediterran in HD ist, kehren wir beim „Kleinen Spanier“ an der Alten Brücke ein: Köstlich sind die Raciones von Sardellen, Seehecht und Garnelen in Knoblauch, der galizische Wein auch. Die giftigen neuen Oliven mit mildem italienischen Olivenöl sind ein wortwörtliches Amuse-Bouche.
Am dritten Tag fahren wir mit dem Mietwagen an den Bodensee, weil wir glauben, dass die psychische Situation von Toms Mutter instabil ist. Der Opel Insignia braucht für die 500 km nach Engen und zurück 27 l Diesel.
Letzter Tag in HD: Regen, günstig für die Loose Ends, also die Vorbereitung der folgenden Etappe, die Aufbereitung des konkret Erlebten für den Blog und das Entfernen des noch unerklärlichen Wasser- und Ölgemischs in der Bilge. Zudem Geschwätz mit Clubmitgliedern und denen, die ihre Boote wässern. Viele Eigner liegen und wohnen für den Sommer hier, rühren sich keinen Meter und genießen das Clubleben.
Tag 12, So, 28.4.2019
11 h HD ab, Eberbach bei KM 58 um 17 h an
= 34 km, 4 Schleusen
Vor der Schleuse Heidelberg will uns der Kapitän der Merian, eines Ausflugsdampfers, ein bisschen Stress machen: Er betätigt ausgiebig das Horn, weil wir uns vor den Brückenpfeilern unmittelbar vor der Schleuseneinfahrt nicht sofort und mit welchen Blessuren auch immer aus dem Fahrwasser machen. Deshalb will er, von unserem Selbstbewusstsein beleidigt, nicht mit uns schleusen, obwohl wir ihn in keiner Weise behindert oder ausgebremst haben. Er muss es aber, weil der Schleusenwärter die Cerberusfunktion innehat.
Die 3 folgenden Schleusen bis zum anvisierten Ziel gelingen perfekt, denn wir belegen, von der Erfahrung in der Schwabenheimer Schleuse belehrt, hinten oder mittig. In Eberbach machen wir am Lauer vor der historischen Altstadt ohne jede Gebühr an der dort befindlichen Ankerkette als Klampenersatz fest (aufpassen, den Bootshaken von unten patzieren, von oben bleibt er eingeklemmt!), nutzen aber das städtische Angebot eines kostenlosen Stromanschlusses nicht. Die Stadt will durch öffentliche Liegemöglichkeiten für Sportboote den Neckar als Wasserwanderstrecke attraktiver machen. Für uns hat sie das explizit getan. Auch angenehm sind die öffentlichen Toiletten in der Dr. Weiß-Schule, ein paar Schritte vom Liegeplatz entfernt.
Tag 13, Mo, 29.4.2019
Hirschhorn, mit dem RMV von Eberbach in 6 Minuten für 3.25 € erreichbar, ist vom Wasser aus eine mittelalterliche Schönheit, vor Ort genauso schön, im Altstadtzentrum tatsächlich gänzlich unversehrt oder unauffällig restauriert. Auf dem Weg (#1, #2, #3) hinauf zum Schloss riechen uns die Bärlauchfelder mit ihren weißen Blüten ungeheuer an. Es ist Bärlauchzeit, deshalb ist die Stadt in den für die Nase so verführerischen Duft gehüllt. Wir haben natürlich ein Glas Bärlauchpaesto bereits an Bord. Das Kraut haben wir vor der Reise am Mägdeberg in Mühlhausen im Hegau gesammelt und mit gerösteten Pinienkernen, Olivenöl und Parmesan verfeinert. Als Backup-Bio-Vorrat für eine Suppe mit Hühnerfond, Ei und Sahne oder als Sugo mit Spaghetti gibt es kaum etwas Besseres.
Tag 14, Di, 30.4.2019
10.30 h Eberbach ab, Offenau bei 98.3 am Schwimmsteg des MBC Mittlerer Neckar um 16.30 h an
Das Gelände einschließlich der Rampe ist von der NATO gepachtet, hat keine Infrastruktur, stellt aber Strom zur Entlastung der Bordbatterie und Wasser zur Verfügung. Der Platz ist ganz nach unserem Geschmack, weil es weder ein Clubhaus noch ein Clubleben vor Ort gibt, nur Wiese und Wasser. In der Nähe des Stegs entsteht ein Freizeitbiotop mit Badesee - bestimmt keine schlechte Idee.
Tag 15, Mi, 1.5.2019
Bad Wimpfen: Vom Boot aus bei Sommersonnenschein auf einem 2.7 km langen Fußweg hinauf in die Badestadt. Eijeijeijeijei, was für eine Fachwerkästhetik (#1, #2, #3, #4). Das Highlight in der Reihe der mittelalterlichen Städte, die den Neckar säumen. Spätnachmittags nach unserer Rückkehr großes Erlebnis auf unserer Flussterrasse: best spring-cocktail ever: Erdbeeren und Minzeblätter ins Glas, einen Teelöffel Rohrzucker hinzugeben, dann Tanqueray darüber, mit Schweppes Indian Tonic Water verlängern, schließlich mit schwarzem oder grünem Strohhalm und einem Kaffeelöffel für die Erdbeeren und die Minze servieren. Wir sind entzückt ob des ausgewogenen Geschmacks des Drinks; und im Boot hat es 40° - sehr in Ordnung, wenn es abends wieder frisch wird. Zum Tagesausklang gibt es Jungbullensteak mit Spargel - Erdbeeren wie Spargel gleichermaßen am Fluss gekauft.
Tag 16, Do, 2. 5.2019
Point of Return
10.15 h Offenau ab, Eberbach um 17.15 h an
An der Schleuse Guttenbach eineinhalb Stunden Wartezeit. Der Schleusenwärter sagt zum Frachterkapitän im Unterwasser: „Komm´ gleich runder. Bring e klaas Sportboot mit. Bei Grün könnder dann einfahre.“ Sind doch leicht beleidigt ob des verwendeten Attributs.
Von nun an fahren wir zu Tal, was konkret heißt, wir sind schneller, und schleusen zu Tal, was die Anspannung erheblich vermindert, denn das Talschleusen ist ein bisschen wie Anlegen: Man sieht die Haltebögen, Leitern und Poller, pickt sich mit dem Bootshaken am gelben Stahlbogen ein, wirft die Leine um den Poller und ist safe. Dann geht es sacht ohne Flutstrudel hinab ins Unterwasser. War uns nicht mehr präsent, dass Abwärtsschleusen so unvergleichlich leichter als Aufwärtsschleusen ist. Den Abendcocktail können wir noch im sonnenverwöhnten Cockpit einnehmen. Dann geht die Regen- und Sturmfront durch. Gut, dass wir fest sind.