LINZ - gaaaaanz speziell

Sonntag, 20 Februar 2022

Do., 19. August bis So., 5. September 2021

Wir treffen auf Nico, womit alles entschieden ist, was wir aber zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen. Er nimmt am Mittwochnachmittag, als wir nach seinem Willen an der Friedrich List im Winterhafen „verheften“, die Leinen entgegen, heißt uns herzlich willkommen und bittet uns auf das Clubgelände, um das Notwendige zu besprechen.

Unsere Highlights:

VORRANGIG DIE STADT-KUNST:

der Höhenrausch (12 € p.p.),
der das menschliche Streben himmelwärts in Architektur, Kunst und Idee absolut einmalig in Szene setzt. Die Edelstahlzille ist dafür schwebendes und von überallher in der Stadt sichtbares Exponat.

Mural Harbor
(„Senorita-Erzählung“ würde Nico wahrscheinlich mein folgendes Narrativ nennen:)
Ich fahre mit dem Rad in den Handelshafen und schaue mir dort die Murals an. Es ist Samstag: Keine Arbeiter, alles abgesperrt, nur ein paar Ost-Trucker mit Tischen und Stühlen zwischen ihren Lastern aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Kroatien und Slowenien - alle außer Kroatien Anrainerstaaten. Jeder von uns ist für sich allein und ohne offizielle Augen im Hafengelände. Keiner interessiert sich für uns und für den anderen. So ignoriere ich die Absperrungen, krieche überall hin, wo ich will, bin fasziniert, angefixt, inspiriert und verbringe 4 Wahnsinnsstunden dort. Als ich wegradele, kommt mir eine diszipliniert geführte Gruppe von etwa 30 Menschen entgegen: 18 € p.p. für eineinhalb Stunden Führung - ohne Blick oder Gang abseits, 2 Stunden Mural Walk mit Graffiti Crashkurs, 25 €. Führungen waren noch nie mein Fall. Vergesse das Gesagte gleich, weil man alles nachlesen kann. Ist anders, wenn ich etwas für mich allein entdecken kann. Dann ergreift es mich oder auch nicht. In letzterem Fall fällt es ins Loch des Vergessens. Die Murals in Linz sind für mich sehr „nachhaltig“ (natürlich im originären Wortsinn), stellen sich als die exquisitesten Spray-Gemälde heraus, die ich je gesehen habe (#1, #2, #3, #4, #5).

Auch auf dem 3 km langen Spaziergang am rechten Donauufer entlang bis in die Stadt finden wir in der Flusslandschaft platzierte Kunstgestaltungen. Mein Lieblingsobjekt sind die beiden hockenden bunten Beduinenskulpturen, in die man sich tatsächlich hineinsetzen kann.

Schon schön die Innenstadt mit Mariendom und Hauptplatz, von dem aus die Adhäsionsbahn hinauf auf den Pöstlingberg zum Linzer-Torte-Genuss startet. Die Bahn, die nur durch die Haftreibung der Räder angetrieben wird, ist mit 116 Promille Steigung die steilste der Welt.

GENAUSO VORRANGIG DAS LEBEN MIT NICO

als wirbelndes Herz des Clublebens:

3 Grillfeste erleben wir im Winterhafen. Und weil wir mittlerweile im Sportboothafen stationiert sind, fahren wir jedesmal 2 km dort hinauf (man spürt den Strom als gegenläufige Macht recht kräftig) und bleiben übernacht. Nico ist der Grillmeister:

Er schneidet das gegrillte Fleisch gegen die Faser,
verfeinert es mit süßen Aromen,
z. B. Birnen, Ananas, Äpfeln, die er auch auf den Rost legt,
und am Ende vielleicht noch mit einem Tick Honig
- sehr brasilianisch.
Beilagen zum Grillgut sind
Pilze mit ganzen Knofelzehen, Jalapenas, Kartoffeln mit Zwiebeln.
Es gibt eigentlich kein Brot, doch sind Limetten allgegenwärtig (#1, #2, #3, #4).
So kann man Fleisch, Fleisch, Fleisch und nochmal Fleisch essen,
ohne es leid zu werden.
Wir kennen pure Fleischgrillparties nicht,
sind aber erstaunt ob der leicht verdaulichen Mega-Rationen.
Zudem sind wir fasziniert von Nicos Allgegenwart, seiner dominanten Präsenz
und seiner Lebensmotivation, die auf alle überspringt.
OHNE IHN GEHT NICHTS, MIT IHM ALLES.

Wir revanchieren uns bei der engeren Kontaktmannschaft (Nico, Klaus und der allerliebsten Koy) mit Langostinos und Aioli und 2 Tage später mit Heilbutt. Klaus hat mit Tom beide Fischpreziosen geholt, Koy ihre einzigartige spicy Thai-Soße, die gleichwohl perfekt Salat wie Fisch und Fleisch begleitet, in aufwändiger Schnippel- und Kompositionsarbeit bereitet. Klaus ist Hafenmeister im Bootshafen und Musiker, was wir einmal spätabends bzw. nachts hautnah erleben. Die anwesenden Clubmitglieder sind von seinem Akkordeonspiel und seiner Gesangsanimation hin und weg. Er und Koy sind es auch, die uns am Sonntag, den 5. September gegen Abend zum Flughafen bringen, von dem aus wir, weil Lokführerstreik vom 2. bis 7. September, der uns mit dem Zug 12 Fahrstunden bescheren würde, für viel Geld mit Air Dolomiti nach FFM starten. Der Flug dagegen dauert nur eine Stunde und 5 Min.. Very convenient. Jörg und Silke holen uns am Flughafen ab. Gut, Freunde zu haben.

als verantwortlicher Hafenmeister für den Winterhafen:

Als wir die ersten Tage im Winterhafen liegen, recherchieren wir, wo es für die Akina einen Winterlagerplatz gibt in der falschen Annahme, dass ein solcher kein Problem auf der Donau sei, denn unser Speck am Main hat alles: Winterlagerplätze für Sport- und Segelboote in der Halle, draußen auf dem Gelände und einen Kran, der Boote bis 12 m und 9.5 t aus dem Wasser heben kann. Klar gibt’s im Winterhafen Linz Kräne, die Boote jeden Gewichts heben können, doch keine Winterlagerplätze für Segler. Gleiches gilt für die Bootswerft Meyer, Km 2026, den Yachthafen Tulln, Km 1962 und sogar die Marina Wien, Km 1926.5 - dies das Ergebnis der Telefonate mit den jeweiligen Hafenmeistern. So kommen wir mit Nico ins Gespräch über Tauchpumpen, die, an Bug und Heck im Wasser platziert, das Wasser um das Boot herum in Bewegung halten und damit verhindern, dass es gefriert und als Eis den Bootsrumpf beschädigt. Wir entscheiden schließlich, dass das Boot über den Winter im Wasser bleibt, und zwar im Sportboothafen, und dass Nico den Service für die Akina übernimmt. 968 € Liegegebühr plus Stromkosten bezahlen wir für 246 Tage, also bis Ende April an den Verein, Nico bekommt die Auslagen für Material (2 Pumpen, Kabel etc.), Arbeitszeit und Anfahrt zu 51 „Besichtigungen“, wie er sie nennt, erstattet. Heilfroh sind wir, dass das Boot in seinen Händen ist, denn er unterrichtet uns bei jeder „Besichtigung“ in einer WhatsApp-Video-Botschaft über den Status Quo vor Ort. Unser Stopfbuchsenproblem (die Stopfbuchse leckt zunehmend und dann über die Maßen) begleitet er auch, krant nach einem ersten Versuch bei Starkregen, der fehlschlägt, weil der alte Kran bei so einem Wetter, obwohl mehrmals durch Stromschläge motiviert, so gar keine Lust hat und deshalb bewegungsunfähig bleibt, das Boot zweimal mit einer unendlichen Sorgfalt und Geduld aus, einmal zur Sichtung des Problems, das andere Mal zur Reparatur. Dabei ist das Einsetzen der neuen 8x8 mm Stopfbuchsendichtung gar nicht so einfach, wird aber letztendlich in einem Learning-By-Doing-Kooperations-Prozess zwischen Ingenieur und Bootseigner grandios bewältigt.

als Seelenverwandter:

Er macht mit uns eine ausgiebige Besichtigung seiner Werkstatt und der Ölbunker, die im Krieg als Wall gegen den Fluss getarnt waren,
fährt mit uns auf seinem Boot eine ausgelassene Bubenirrsinnstour,
erzählt von seinem Leben als nach Brasilien in früher Kindheit mit den Eltern ausgewandertes Kind (seine Mutter habe ihm, um ihn Essensmanieren zu lehren, jeweils ein Buch unter die Armachseln geklemmt!),
stellt uns seine Familie vor,
zeigt uns ohne jeden Vorbehalt seine privaten Lebensräume,
teilt mit uns Träume und Lebensfreude und
erfindet einzigartige Sprachbilder: „Der (sein Onkel) ist, stell dir vor, damals mit dem Finger von Holland nach Linz gefahren“, heißt, getrampt. „Baba“ ist sein „Bye-bye“, „Ulala“ sein „Oh lá lá“. „Kariertes Sonnenlicht“ ist seine Metapher für Unfreiheit, „Sonne, Nebel und Sturm“ sind seine erklärten elementaren Lebenszustände. Er wirft seinen „Griller“ an und hängt die Hängematte auf mit dem Hinweis, diese sei absolut robust und geräumig, denn man lege sich allein hinein und komme zu dritt wieder raus.

In der wenigen „untätigen“ Zeit, die uns bleibt, wassern wir das Dinghi, baden im Fluss, weil unsere Badeplattform so „altersfreundlich“ ist und füttern die quengelnden Schwäne und Enten, die als Belohnung dann den Steg vollscheißen.

Wichtige Anlaufstellen in Linz:

  • BAUHAUS, die Nautikabteilung
  • Im INTERSPAR gibt es alles, im EUROSPAR viel; alle drei liegen im Industriegebiet
  • DAO, Hot-Pot-Restaurant beim Mariendom
  • Pöstlingberg-Schlössl, Restaurant mit Panoramablick auf Linz
  • Das Anton (Brückner), Brasserie im Musiktheater, ja nicht das Lentos-Restaurant!
  • Austria Classic Hotel Wolfinger, am Hauptplatz
  • ARCOTEL Nike und Trans World Hotel Donauwelle, direkt an der Donau
  • Das Landhof, Zimmer und Restaurant, und WEIN & CO liegen beide in der Pummererstraße, nahe dem Bootshafen

Facts and Figures Main, MDK und Donau bis Linz:

  • 69 Tage unterwegs
  • 56 Schleusen, davon 43 bergauf und 13 bergab
  • 808 km, davon 461 bergauf und 347 bergab
  • 25 Fahr- und 23 Sightseeingtage
  • eine Woche wegen Hochwassers in Würzburg
  • zwei Wochen wegen des Stopfbuchsenproblems in Linz
  • zweimal manövrierunfähig und ein Bullenbesuch in der Schleuse
  • einmal das Beil im Einsatz
  • Städtehighlights: Würzburg, Bamberg, Regensburg, Passau, Linz
  • Begegnungshighlights: Conny, Uli P., Nico
  • 19 Freunde zu Besuch
  • Durchschnittsgeschwindigkeit bergauf 8 - 9 km/h, nach dem Eindampfen in die Hochwasser führende Donau 14 - 15 km/h
  • Betriebsstunden 120
  • Dieselverbrauch 200 l, also 1.5 - 1.7 l/h (25 l auf 100 km)